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Mit und ohne Spompanadeln

FESTSPIELE / MOZART-MATINEE / MINASI

28/07/19 Der Spielraum ist weit. Von der ersten Sinfonie des Achtjährigen aus London bis zum Empfehlungswerk in eigener Sache vor dem neuen Erzbischof markieren die Symphonien Es-Dur KV 16 und A-Dur KV 114 wesentliche Stationen des Jugendschaffens.

Von Erhard Petzel

Aber auch die Serenade für zwei Orchester D-Dur KV 239 zeigt eine Preziose des höchstens Zwanzigjährigen im Umfeld des Faschings in Salzburg. Die Linzer Sinfonie wiederum entstand nach der Abfahrt von seiner Geburtsstadt, nachdem Wolfgang seine Frau eingeführt und die Beilegung des Zwistes mit dem Vater wegen Hochzeit und Quittierung des Salzburger Dienstes unternommen hatte.

Ein anregendes, vielseitiges Programm also für die erste Mozart-Matinee der Festspiele (27./28.7.) im Großen Saal des Mozarteums. Riccardo Minasi leitet nicht nur mit freier Hand ein expressiv dynamisches Mozarteumorchester mit feinster Binnendifferenzierung, vielmehr macht er in der Entwicklung des Musikers auch dessen infantilen Leidenschaften erlebbar. Das Thema des ersten Satzes von KV 16 kennt man aus dem Kanon Bona nox, läuft hier jedoch in einer Vorhaltkette aus. Das Presto findet sich in einem Österreichischen Schulbuch für den 5. Jahrgang, sollte also unter jungen Hörern bekannt sein. Neu hingegen ist die unbekümmerte Interpretation Minaris, der die Naturhörner fett herausbrüllen lässt.

Der Hang Mozarts zu anarchischer Provokation wird auch in der „Serenata notturna“ op. 239 herausgestellt. Dem Marsch ein ebenso martialisches Menuett. Dem Tutti, unterstützt durch Pauken (auf Trompeten verzichtet der Komponist), steht ein Streichquartett als Concertino entgegen, dessen geigenden Kopf der Dirigent höchstselbst übernimmt. Melodien und Klangeffekte erzeugen richtiggehend Heurigencharakter. Im Rondeau kommt es zur Show, wenn in Jazzband-Manier die Kadenzen als Solos durchgeheizt werden. Carsten Neumann muss sich dabei auf den Fuß steigen lassen, um den richtigen Ton zum Themen-Einsatz abzuliefern. Aber auch Dominik Neunteufel muss sich für sein Bass-Stereotyp auslachen lassen, während Milan Radic mit schöner Kantilene allen Bratscherwitzen trotzen darf.

Aus dem Tutti lechzt Konzertmeister Markus Tomasi nach abschließender Improvisation. Das gelang dem klassischen Ensemble schon sehr lustig und geht weit über das übliche Maß an Komik hinaus, das solchen Ereignissen häufig etwas linkisch anhaftet. Entsprechend begeistert die Aufnahme. Die Publikumsbegeisterung wird sich steigern. Vor dem neuen Erzbischof galt es für Mozart, ohne Spompanadeln zu bestehen. Das Mozarteumorchester in der A-Dur-Symphonie KV 114: kein Outrieren, sondern effektvolle Kontraste in perfekter Balance mit Maximum an Wirkungsgrad.

Wie Minasi mit sicherer Handführung bis ins Innerste der Phrasen diffizile dynamische Qualitäten heraushebt und dabei den Gesamtfluss so locker wie konzentriert bedient, wie feinnervig der Raum durch den Orchesterklang stets volltönig erfüllt wird ohne beim Forcieren zu Überschlagen, das macht die Aufführung des Hausorchesters in seinem Saal bei seinem Hauskomponisten unnachahmlich. Bei dieser Sicherheit besteht kein Zweifel, dass man über den Schönklang allein hinausgehen kann und das Ungestüm des trashigen Jungkomponisten so bedient, dass es dem heutigen Hörer zugänglich wird un dass die Qualitäten der Kompositionen herauskommen. Wenn Naturtrompeten und Hörner in der Linzer Symphonie reinbröseln, erfolgt das kalkuliert und geschmackvoll. Den stürmischen Jubel quittierte Minasi, wieder auf der Geige, mit einem arrangierten Bachchoral als Draufgabe.

Bilder: FS / Marco Borrelli

 

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