Hochglanz-Krieg
FESTSPIELE / SWR ORCHESTER / CURRENTZIS
28/07/19 Maximale Lautstäre zum Schluss garantiert maximalen Applaus. Was auch vorher gewesen sein mag: Echter Lärm im Finale macht alles wieder gut. Noch besser ist es freilich, wenn vorher auch schon vieles sehr gut war – wie in Schostakowitschs Leningrader Symphonie in der Lesart von Teodor Currentzis.
Von Heidemarie Klabacher
Es ist die Symphonie Nr. 7 C-Dur op. 60 Leningrader von Dmitri Schostakowitsch für „Russland“ sein Stück eigener Seele. Ob vom Komponisten nun so wirklich so intendiert oder auch nicht. Die historischen Tatsachen laut Programmheft zum Konzert am Freitag (26.7.) im Großen Festspielhaus: „Als die Leningrader Philharmonie am 31. Mai 1941 ihren Spielplan für die folgende Saison veröffentlichte, stand unter anderm die Premiere einer neuen Schostakowitsch-Symphonie auf dem Programm. Am 22. Juni überfielen deutsche Truppen die Sowjetunion, am 8. August begann die Offensive gegen Leningrad. Einen Monat später war die belagerte Stadt von der Aussenwelt abgeschnitten. Die Blockade sollte 870 Tage und Nächte andauern und einer Million Menschen das Leben kosten“.
Die Uraufführung am 5. März 1942 in der Stadt Kuibyschew wurde in der ganzen Sowjetunion im Radio übertragen. Damit sie überhaupt stattfinden konnten, mussten viele Orchestermusiker von der Front abgezogen werden. Und am 9. August 1942 gab es die legendäre Aufführung im belagerten Leningard, die mit Lautsprechern über die ganze Stadtt übertragen wurde.
Zurück in den Frieden, der im Jahre 2019 noch hält. Trotz allen Rumorens rundum. Tatsächlich wollte sich der Eindruck, am Freitag (26.7.) im Großen Festspielhaus einer glanzvollen Show beizuwohnen, nicht recht verdrängen lassen. Teodor Currentzis führte mit Verve, Energie, Präzission, Leidenschaft und maximaler Informiertheit durch das Monumentalwerk und das SWR Symphonieorchester folgte mit erve, Energie, Präzission, Leidenschaft und maximaler Virtuosität.
Die „Invasionsepisode“ ist ein vom Komponisten grandios erdachtes Crescendo über einem fallenden kleinem Achtelmotiv und einem durchgehenden Ryhtmus von am Schlus vier mit maximaler Kraft gerührten kleinen Trommeln. Warum nur wollte sich der Gedanke an ein überbordendes „Landsknechtsständchen“ nicht verjagen lassen? Der grandios perfekten Wiedergabe fehlte jegliche Dämonie. Was da heran marschierte war kein feindliches Heer, höchstens ein zu groß geratener Spielmannszug.
Wenig Ironie, keine Dämonie eigente dem Mittelteil des zweiten Satzes. Traumhaft schön in großen Bögen ausgespannt präsentierten die musikalische Heerschar und ihr General die melodischen, gesanglichen, choralartigen Passagen, an denen das Monumentalwerk so reich ist. Das waren bewegende Momente. Extrem spannungsgeladen war zunächst der vierte Satz mit Pizzicati wie Peitschenschlägen, verschatteten Pianissimi im seelischen Graubereich und einem Crescendo gespannt wie Drahtseile. Die effektvollen schier nicht endenwollenden Fortissimo-Akkorde zum Schluss. sind schon erwähnt worden. Toll das Ganze. Aber man war doch eher ästhetisch ästimiert, denn inhaltlich betroffen. Ob es Schostakowitsch SO gemeint hat, ist auch nicht erwiesen.