Kunst statt Kompromisse
FESTSPIELE / ERÖFFNUNGSFESTAKT
27/07/19 Der Klimawandel und die damit verbundenen aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen bestimmten heute die Festrede von Peter Sellars heute Samstag (27.7.) beim Eröffnungsfestakt der Festspiele in der Felsenreitschule.
Die Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein nahm Bezug auf das sich an Mythen orientierende diesjährige Programm. „Die Mythen enthalten all das, was das Leben ausmacht: Den Logos und den Mythos, das Trennende und das Verbindende, das Alte und das Neue. Die Festspiele dienen dabei als immerwährende Inspiration und teils wohl auch als Provokation, geben Impuls zum Nachdenken und zum Schwelgen, stimulieren Geist und Sinne, reflektieren das Verhältnis zwischen Mensch und Natur immer wieder aufs Neue“, so die Bundeskanzlerin. Deshalb seien Kunst und Kultur „nicht nur hübsche Verzierung, sondern im Gegenteil unersetzlicher Teil des Menschseins.“ Neues, Ungewöhnliches, auch Gewagtes sei nötig, um die Weiterentwicklung einer mündigen Gesellschaft zu garantieren. „Die Kunst darf im Unterschied zur Politik auf den Kompromiss verzichten. Sie muss auch provozieren und verstören. Die Politik hingegen ist auf den Kompromiss angelegt und angewiesen", so die Bundeskanzlerin.
Auch Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler ging auf das Zeitgemäße in den alten Mythen ein: Deren große Themen, Schicksal und Schuld, Sieg und Niederlage, Freundschaft und Hass, Liebe und Rache, träfen über Jahrtausende hinweg den Nerv ihrer also auch unserer Zeit. Es gehe also elementar um die Auseinandersetzung mit der Welt von heute.
Und schließlich auch Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der seine Begrüßungsansprache dem Thema Grenzen und deren Überschreitung, wie es auch oft in der griechischen Mythologie thematisiert wird, widmete: „Wir stecken in unseren Grenzen wie in unserer Haut, einem komplexen System, das im ständigen Austausch von innen und außen steht. Tastsinn, Luft, Licht, Wärme: Durchlässigkeit innerhalb einer zuträglichen Bandbreite ist Grundvoraussetzung für Leben. Für Haut und Grenzen gilt gleichermaßen: Der Verlust der Balance von Schutz und Austausch ist letal.“ Die Kunst sei die permanente Verhandlung von Grenzverschiebungen, sie relativiere Absolutes. Sie stelle die Frage nach moralischen und ethischen Grenzen und sei dabei in besonderer Weise dem Schicksalshaften verhaftet. Sie interpretiere ihre großen Werke immer wieder neu, aus anderen, heute wichtig erscheinenden Gesichtspunkten – als ein Spiegel, in dem wir uns selber entdecken können.
Allgemeiner Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Wir müssen die sein, die mitarbeiten an der Lösung und die aktiv die Zukunft unserer Menschheit sichern. Wir alle können und müssen konkret mithelfen.“ Der Bundespräsident sprach dabei konkret auch die Banken, Energiewirtschaft, Technologie-Konzerne, Lebensmittelerzeuger, Konsumentinnen und Konsumenten und die Politik an. „Denn wenn wir weiterleben wollen, werden wir so nicht weitermachen können.“ Die Lösung liege in der Gemeinschaft. Klimaschutz, Digitalisierung, Migration seien allein nicht zu lösen. Van der Bellen weiter: „Wir müssen hier einen gemeinsamen europäischen Weg gehen. Wir müssen uns darum bemühen. Nur gemeinsam sind wir stark.“
Eine neue, ökologische Zivilisation schaffen das war auch ein eindringlicher Appell in der festrede von Peter Sellars. „Wir müssen dringend die Strukturen des Kapitalismus und des internationalen Bankensystems hinterfragen und eine breit aufgestellte politische und soziale Gerechtigkeit schaffen.“ Notwendig sei es, die Position der Frauen zu stärken sowie auf tradierte Erkenntnisse indigener Völker zurückzugreifen. „Die Wissenschaft gibt uns noch genau 15 Jahre, um eine neue, eine ökologische Zivilisation zu schaffen“, mahnte der Festredner. Und weiter: „Der Klimawandel verlangt nach Gleichberechtigung, nach Gemeinschaften, Netzwerken und Strukturen, die es uns ermöglichen, auf Augenhöhe zu handeln. Unsere Generation war die Generation der Imperien und der Konsumgesellschaft. Jetzt ist es an der Zeit, eine neue Generation von engagierten, schöpferischen, fürsorgenden jungen Menschen willkommen zu heißen.“ (Landeskorrespondenz/dpk)
Bilder: LMZ/Neumayr/Leo
Die Festrede von Peter Sellars im Wortlaut
Das Meer und die Idomeneos unserer Tage
Dokumentation / Reden beim Eröffnungsfestakt als pdf:
Rede Helga Rabl-Stadler
Rede Wilfried Haslauer
Rede Brigitte Bierlein
Festspielrede Peter Sellars in Englisch
Eröffnungsrede Alexander Van der Bellen