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Welt, schau auf uns

JEDERMANN / SALZBURGER FESTSPIELE

05/07/19 Zwischen die stolzen, in der Sonne grünschimmernden Steinlöwen und das nackte Gestein des Mönchsbergs reiht sich das Jedermann-Ensemble auf der Festspiel-Terrasse ein. Unter ihnen sitzt ein guter Gesell, gleichzeitig Teufel, ein heimlicher Regisseur und Jedermann, der neben seiner neuen Buhlschaft verstummt.

Von Franz Jäger-Waldau

„Wir haben einen neuen Koch“, beginnt die Leiterin des Schauspiels Bettina Hering und deutet auf den überraschten Markus Kofler. Mit der Bescheidenheit seiner Rolle drückt der Villacher Schauspieler seine Vorfreude auf die Wiederaufnahme des Jedermann aus.

Das Ensemble stimmt überein. Es sind Gesichter, an denen noch nicht das Gewicht der Probezeit abgezeichnet ist. Die Buhlschaft (Valery Tscheplanowa) und Jedermann (Tobias Moretti) fehlen noch, sind aber dadurch nur umso anwesender.

Geduckt sitzt dessen guter Gesell und gleichzeitig Teufel in der Mitte der Darsteller: Morettis jüngerer Bruder, Gregor Bloéb, ist heuer erstmals Teil von Hofmannsthals Moralspiel. „Die Verbindung vom Teufel zum Gesell, ich kenne sie noch nicht. Aber Michael Sturminger kennt sie und wird mich dort hin führen.“ Seit Jahrzehnten waren die Geschwister nicht mehr gemeinsam auf der Bühne. „Das letzte Mal sind wir sechzehn gewesen. Da war Tobias der Rostige Ritter und ich das blinde Arschloch.“

„Wie respektvoll und vorsichtig die beiden aufeinander zugehen, ist spannend“, Regisseur Michael Sturminger windet sich bislang nur lächelnd unter der geschlossenen Zuversicht der ihn flankierenden Darsteller. Aber er steht ihnen nicht vor, sondern geht im Vertrauen auf die Schaffenskraft der Mitwirkenden unter ihnen auf. „Mich begleitet eine ständige Angst vor Wiederholung.“ Er erinnert sich an seine letzten beiden Jahre als Regisseur des Jedermann: „Es gibt so viele Möglichkeiten für uns, das Stück aus immer anderen Winkeln zu sehen. Mich selbst interessiert ein Theaterabend dann am meisten, wenn er mich überrascht; wenn neue Wahrhaftigkeiten gefunden werden können ein neuer Augenblick, der uns anrührt.“ Vielleicht denkt er in auch an die neue, aber immer noch absente Buhlschaft. „Man kann das Stück als eine Aufeinanderfolge von Duellen sehen. Es ist Teil des Stückes, dass sich die Besetzung weiterdreht.“

Zuerst wenden sich die Linsen der Kameras, die Blenden verengen sich, dann schaut Sturminger schließlich selbst in die Nische, aus der jetzt Valery Tscheplanowa mit Tobias Moretti in die Reihe tritt. „Ich darf Ihnen die Buhlschaft vorstellen, Frau Veronica...ich meine, Valery Tscheplanowa.“ Die in Russland geborene Schauspielerin bringt ein Lachen für Morettis Humor auf. „Ich dachte immer, wenn ich irgendetwas nie angeboten bekommen werde, dann die Buhlschaft.“ Ihre metallene Stimme klingt aus dem Vorjahr wieder: Damals zerriss sie als Chorführerin an der Spitze der Perser mit den donnernden Worten „Welt, schau auf uns“ den Vorhang. Welt, schau auf uns, und die Welt schaut zurück. „Wir zerschneiden und zerstückeln, das ist eine große Freude.“

Es ist sonderlich ruhig, seit Valery Tscheplanowa spricht. Sie wird nicht die opulente, fleischlich-sinnliche  Buhlschaft sein, sondern durch die vielen zarten Schichten der Figur blättern. „Der Text ist alt. Und ich lasse ihn dort. Die Szenen der Buhlschaft sind für mich privat und dazu passt die Sprache des Stücks.“ Wieder bleibt nur Stille, dann erlaubt sich Michael Sturminger die aufgekommene Stimmung von Erhabenheit zu beugen: „Ich kann auch sagen, es hört sich gut an, wenn sie das spricht.“

Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes von Hugo von Hofmannsthal, Sa 20. Juli - Mi 28. August am Salzburger Domplatz - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF/Anne Zeuner

 

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