Wo ist noch ein Ausweg
FESTSPIELE 2019 / OPER
14/11/18 „Idomeneo opfert seinen Sohn. Wir opfern die Zukunft unserer Jugend.“ So kurz und bündig kann die Aktualität eines antiken Mythos und einer klassischen Oper auf den Punkt gebracht werden: Mit Mozarts Idomeneo eröffnen die Salzburger Festspiele 2019 das Opernprogramm.
Von Heidemarie Klabacher
„Wir müssen über die Zukunft sprechen. Die Zeit ist reif für eine ernsthafte Veränderung.“ Das habe Mozart der Welt mit seinem Idomeneo mitteilen wollen, meint Peter Sellars, der nach Clemenza di Tito eine weitere opera seria Mozarts realisieren wird – wieder zusammen mit Theodor Currentzis. Mozart habe das damals Modernste an Orchester, Bühnenbild und Tanz in Idomeneo konzentriert,ein Gesamtkunstwerk vor Wagner geschaffen, das alle Kunstformen umfasst. Die Utopie dürfte Bild werden, zeigte doch ein kleines Video heute Mittwoch (14.11.) bei der Programmpräsentation, dass Atlantis auf der Bühne erstehen soll. Premiere ist am 27. Juli in der Felsenreitschule. Teodor Currentzis dirigiert das Freiburger Barockorchester und den musicAeterna Choir of Perm Opera. Der in Samoa geborene, international tätige Künstler Lemi Ponifasio wird für die Choreografie verantwortlich zeichnen.
„Im Zentrum des Mythos steht oft das Tabu“, sagte Intendant Markus Hinterhäuser: Die vielfach betrogene Medea sei in jenen Zustand der Raserei geraten, der sie ihre Kinder dorthin mitnehmen hat lassen, „wo die Verzweiflung sich ihren Weg sucht“. In Luigi Cherubinis Oper Médée aus dem Jahr 1797 ist Medea als eine leidenschaftliche, starke, intelligente und liebesfähige Frau gezeichnet. Simon Stone, dessen Inszenierung von Aribert Reimanns Lear aus 2017 in Erinnerung ist, erforsche die Ursachen für Medeas Handeln in einem heutigen Kontext und zeige die innere Entwicklung der Figur bis hin zur finalen Katastrophe. Die Neuinszenierung hat am 30. Juli im Großen Festspielhaus Premiere. Thomas Hengelbrock dirigiert die Wiener Philharmoniker und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Sonya Yoncheva, die bei den Festspielen 2018in der titelrolle von Monteverdis L’incoronazione di Poppea gefeiert wurde, ist Medea. „Die Anforderung an die Titelfigur ist von hoher Temperatur geprägt“, so Markus Hinterhäuser.
Wenn es um Mythen geht, kann man Ödipus nicht außer Acht lassen. Auf dem Programm steht die Tragédie lyrique Oedipe von George Enescu, „eine Oper die nicht häufig gespielt wird, von einem Komponisten, der schon gar nicht häufig gespielt wird“. Oedipe. „Warum trifft er ausgerechnet den Vater, warum will er mit der Mutter schlafen… Das hat tiefe Sehnsuchtsgründe im Menschen“, sagt Achim Freyer, verantwortlich für Regie, Bühne und Kostüme in der Neuproduktion in der Felsenreitschule. Ingo Metzmacher leitet die Wiener Philharmoniker, die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und den Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor. Die Titelrolle übernimmt Christopher Maltman. Achim Freyer wird die Blindheit in Schwärze übersetzen und in der Felsenreitschule dürfte es sehr dunkel werden. „Nur eine kleine Öffnung, einen einzigen kleinen Ausweg“ werde es geben aus den Getriebenheiten.
Eurydike, Gattin des Orpheus, ist ein ewiges Opfer in der Operngeschichte. Nur nicht in Orphée aux enfers – Orpheus in der Unterwelt - von Jaques Offenbach. Operette sei ja nicht so ganz sein Genre, meinte Markus Hinterhäuser. Aber das Antiken-Thema brauche eine Brechung. Und Offenbach verulkt ungeniert einen der wichtigsten Mythen unserer Kulturgeschichte: Die heilige Musik, die düstere Unterwelt, der erhabene Komponist, das alles stelle der Komponist in genialer Subversivität auf den Kopf: „Eurydice bleibt in der Unterwelt, um weiterhin Spaß mit Bacchus zu haben“, so der Regisseur Barrie Kosky, der mit Orphée aux enfers sein Debüt bei den Festspielen gibt. Zum ersten Mal zu Gast in Salzburg ist auch der Dirigent Enrique Mazzola. Neben dem Vocalconsort Berlin und den Wiener Philharmonikern sind Kathryn Lewek als Eurydice und Joel Prieto als Orphée zu erleben. Die Neuinszenierung im Haus für Mozart hat am 14. August Premiere.
Mythen und Götter haben immer mit Schicksal zu tun. Und um Schicksal geht es auch in Simon Boccanegra, „Giuseppe Verdis persönlichstem und pessimistischstem Werk“. Andreas Kriegenburg, der 2017 mit seiner Inszenierung von Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk Aufsehen erregte, inszeniert Verdis Oper im Großen Festspielhaus. Valery Gergiev dirigiert die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und die Wiener Philharmoniker. Luca Salsi übernimmt die Rolle des Simon Boccanegra.
Wiederaufnahmen gelten Georg Friedrich Händels Alcina in der Inszenierung von Damiano Michieletto und mit Cecilia Bartoli in der Hauptrolle als Übernahme von den Pfingstenfestspielen und Richard Strauss‘ Salome, mit der im Festspielsommer 2018 Rezeptionsgeschichte geschrieben wurde. Eine Opernuraufführung gibt es im Jugendprogramm mit der Kinderoper Der Gesang der Zauberinsel von Marius Felix Lange.