Ehepaar spielt Liebespaar
FESTSPIELE / ANNA NETREBKO & YUSIF EYVAZOV
30/08/18 Anna Netrebko & Yusif Eyvazov hatten sichtbar und hörbar Spaß und Freude daran, tragische Liebespaare zu spielen: „Große Szenen“ aus Opern von Verdi und Puccini zu zwei Stimmen – „A due voci“ eben – bescherten am Mittwoch (29.8.) ein Sängerfest zum Festspielende. Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Jader Bignamini bot eine Glanzleistung.
Von Heidemarie Klabacher
„… eine Zärtlichkeit so leicht und so weit wie der Himmel und das Meer“ wünscht sich die kleine Madama Butterfly von dem amerikanischen Flegel Pinkerton. Wir wissen wie das ausgeht – und möchte jedesmal mitweinen. Besonders, wenn die Stimme der Sängern Verzweiflung und Katastrophe schon in der Liebeswonne mittransportiert: Anna Netrebko lieferte mit ihrem Part im Duett Cio-Cio-San und Pinkerton „Vogliatemi bene“ aus der Oper Madama Butterfly ein Kabinettstück der Klang- und Ausdruckskultur bei höchster Dramatik und größter Kontrolle. Yusif Eyvazovs Pinkerton nahm man das liebssehnsüchtige Schwelgen zu diesem Augenblick noch herzlich gerne ab – unwiderstehlich, das tenorale Samt, die elegante Höhe, die beredte Phrasierung.
Yusif Eyvazovs Solo-Glanzstück die Arie des Kalaf „Nessun dorma“ aus der Oper „Turandot“, dessen exponierte Herausforderungen der Tenor mit Eleganz und Souveränität in puren Stimmgenuss verwandelte. Und das gilt ebenso für die Arie des Cavaradossi „E lucevan le stelle“ aus „Tosca“.
Die Arie der Tosca, „Vissi d’arte“ war das Sopran-Gegenstück, eine fein gestaltete Szene die tatsächlich alle Emotionen wie aus dem Nichts heraus entstehen ließ. Noch berührender war die Arie cer Cio-Cio San „Un bel dì vedremo“, in der sie sich das Wiedersehen mit dem Untreuen ausmalt.
Die Delikatesse dieser Kostbarkeiten der Interpretation standen im erstaunlichen Gegensatz zur angreiferischen Gestaltung der jeweiligen Auftrittsstücke, der Cavatine der Lady Macbeth aus „Macbeth“ und der Cabaletta des Manrico aus „Turandot“.
Nach diesem Abend möchte man das Mozarteumorchester noch viel dringlicher endlich auch einmal bei den Festspielen „große Oper“ spielen hören, freilich nur unter einem Dirigenten-Kapellmeister oder Kapellmeister-Dirigenten wie Jader Bignamini. Er ist der „Hausdirigent“ des Symphonieorchesters laVerdi in Mailand, hat in der vergangenen Spielzeit „Buttlerfly“ und „Turandot“ in New York und Detroit dirigiert, den „Troubadour“ in Rom und Frankfurt und „Manon Lescaut“ mit Anna Netrebko & Yusif Eyvazov in Moskau (als erste Puccini-Oper am Bolschoi überhaupt).
Das Dream-Team der konzertanten Festspielaufführung von „Manon Lescaut“ aus 2016 ist damit zu zwei Dritteln nach Salzburg zurückgekehrt: Haben Anna Netrebko als Manon und Yusif Eyvazov als Renato Des Grieux Furore gemacht, erklang aus dieser Oper diesmal „nur“ das Intermezzo: Aber was für ein Zwischenspiel! Feines, delikat nuanciertes Atemholen zwischen den großen Emotionen der Sänger, farbenreich aufblühend und zugleich mit Understatement sich zurückhaltende Orchester-Klangkultur: Ein Hochgenuss vom ersten elegisch klangvollem geseufzten Ton des Cello-Solos an. Fast noch feiner, beinah ätherisch kam das Intermezzo sinfonico aus Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ daher (der einzige „Ausreißer“ an diesem sonst reinen Verdi-Puccini-Abend). Deutlich kräftiger, auch vom Stück her natürlich, aber nicht weniger fein ziseliert fiel die „Sinfonia“ aus Verdis Oper „Nabucco“: Hier schlugen besonders die tiefen Blechbläser, wie immer aber auch die Holzbläser, ihn ihren Bann – sosehr, dass mit dem Aufblühen des großen berühmten Themas aus dem „Gefangenenchor“ gleich die ganze Oper vor Augen stand. Extra-Verbeugung, dann schon in den Gesangs-Teilen, vor der Klarinette, die in Manricos Szene im „Troubadour“ oder in der Romanze des Don Alvaro in „La forza del destino“ den Tenor Yusif Eyvazov als eine geradezu herausfordernd eine „Gegenstimme“ zum beinah kammermusikalisch-liedhaften „Miteinander“ verführte. Weitere große Verbeugungen vor Solo-Cello und den Harfenistinnen.
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borelli