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Schmerzensschreie und innerer Friede

FESTSPIELE / HAGEN QUARTETT

27/08/18 Wie oft sie schon Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ gespielt haben, oder die „Kreutzersonate“ von Leoš Janáček? Auch das Streichquartett von Witold Lutoslawski haben regelmäßige Kammerkonzertbesucher vom Hagen Quartett schon gehört.

Von Reinhard Kriechbaum

Und doch ist es immer wieder etwas Neues. Ginge auch gar nicht anders, als dass ein Ensemble, das im vierten Jahrzehnt einer weltumspannenden Karriere steht, sich quasi selbst von innen heraus immer wieder neu erfindet. Auffallend etwa beim Festspielkonzert am Freitag (24.8.) im Großen Saal des Mozarteums: Clemens Hagen war immer ein disziplinierter, aber gerne auch mal sympathisch-vorlauter Energiebringer. Fast altersweise (pardon, er ist erst 52!) wirkten seine tonlich elegant und geschmeidig formulierten Beiträge diesmal, vor allem bei Schubert, ohne dass etwas von Cello als Kraft spendendem Fundament verloren gegangen wäre.

Es sind sehr feine Schrauben, an denen das Hagen Quartett dreht, um seine Sicht auf die Dinge nachzujustieren. Dass daran überhaupt gedreht wird, unterstreicht die Lebendigkeit – ein gutes Korrektiv zur kammermusikalischen Routiniertheit. Den vierten Satz des Schubert-Quartetts „Der Tod und das Mädchen“ bezeichnet der Programmheftautor taxfrei als „Totentanz“. Da hatte er beim Schreiben gewiss nicht die Hagens im Ohr, die gerade diesen Satz mit so vielen auch optimistischen Zwischentönen ausstatten, die Stimmungen so gezielt austarieren, dass man – wenn überhaupt – eher ein RIP, requiescat in pace, drüberschreiben wollte.

Die Schreie das Schmerzhafte: Das ist in Janáčeks „Kreutzersonate“ eingeschrieben. Da werden Tanzmotive im zweiten Satz in schreienden Tremoli ertränkt oder das ruhevolle Bicinium der Außenstimmen von einem geradezu hysterisch sich hineindrängenden Gekreische der Zweiten Geige und der Bratsche konterkariert. Das ist intensive Aussage, unmittelbar am Nerv dieser Musik, die zu hören weh tun darf und soll. Aber spätestens in diesem dritten Satz glaubt man in dieser Interpretation zu verstehen, dass es auch süffigen, ja wollüstigen Schmerz gibt.

Auch bei Janáček, also auf allerhöchstem emotionalen Pegelstand, aller Bewunderung werte Ensembledisziplin, wenn im ersten Satz das energetisch-vibrierende Thema von einem Instrument zum anderen wandert, sind es ja die jeweils anderen drei, die in perfektem Zusammenklang das Gegengewicht zu bilden haben. Mehr Sicherheit beim Aushorchen dieser Akkorde ist nicht denkbar.

Am Beginn des Kammerkonzerts war das Streichquartett von Witold Lutoslawski gestanden, seinerzeit als hoch-experimentelle Musik empfunden, die das Quartettspiel als linearen Prozess voneinander unabhängiger Stimmen fasst. „Zufallsmusik“ dennoch nicht, denn die zwei Sätze bestehen aus 51 abgezirkelten Abschnitten (innerhalb derer aber größtmögliche Freiheit herrscht). Wie das Hagen Quartett das Nebeneinander in ein Miteinander umformt, klangorientiert und sinnlich, hat höchste Überzeugungskraft.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 

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