asdf
 

Billig-Frischfleisch für den Opern-Diskonter?

FESTSPIELE / YOUNG SINGERS PROJECT / ABSCHLUSSKONZERT

26/08/18 „Als eine junge Sängerin in einer Meisterklasse von Elisabeth Schwarzkopf sagte, sie wolle, bevor sie Platten höre ‚ihre eigene Persönlichkeit entwickeln‘, bekam sie zu hören: ‚Aber Sie haben doch noch gar keine Persönlichkeit.‘“ Und das im Programmheft eines Konzerts mit lauter jungen Sängerinnen und Sängern.

Von Heidemarie Klabacher

Der Sänger-Experte und Callas- oder Pavarotti-Kenner Jürgen Kesting brachte in seinem Programmheft-Essay zum Abschlusskonzert des Young Singers Project zentrale Fragen zum „Sängernachwuchs“ zur Sprache. Besonders die der Verantwortung für die junge Stimme – sei es auf Seiten der jungen Sängerinnen und Sänger selbst, oder – fast noch wichtiger – auf Seiten der Intendanten, Direktoren und Agenturen.

Jürgen Kesting schildert aber auch exemplarisch, welch positive Auswirkungen eine Teilnahme am „Young Singers Project“ der Salzburger Festspiele haben kann: „November 2015, Premiere von Wolfgang Amadeus Mozarts Le nozze di Figaro an der Hamburgischen Staatsoper. Die Spannung ist nicht groß, bis zum vierten Akt und dem Auftritt der Barbarina, die – ‚L’ho perduta‘ – nach der verlorenen Nadel sucht. Sie hat nur eine Minute Zeit für das f-Moll-Andante. Die Stimme der Sängerin durchzieht den Klang der sordinierten Violinen wie ein Silberfaden – und sie wird in dieser Minute zur Protagonistin eines unvergesslichen Augenblicks. Ein Jahr darauf wurde sie in einer Neueinstudierung der Zauberflöte zur Pamina: Christina Gansch. Im Sommer 2015 gehörte sie zu den Teilnehmern des Young Singers Projects der Salzburger Festspiele, zu dem sich sieben Jahre zuvor elf Sänger aus Deutschland und Botswana, der Türkei und Rumänien, aus den USA und Puerto Rico, der Ukraine und aus Russland, aus Kanada und China erstmals zu einem künstlerischen Modellversuch eingefunden hatten.“

Seit 2015 sind auch schon wieder drei Jahre vergangen. Ex-Young Singer Christina Gansch wird in der kommenden Spielzeit 2018/19 an der San Francisco Opera debütieren, in Hamburg in Schumanns „Faustszenen“ an der Seite von Christian Gerhaher auftreten und - nicht zu vergessen – im Rahmen der Mozartwoche an ihren Studienort Salzburg zurückkehren. Seit bereits sechs Jahren finanziert die Kühne-Stiftung maßgeblich das Young Singers Project. Und auch hier im Sponsoring gibt es Entwicklungen zu verzeichnen: Aus dem Young Singers Projcet-Förderer wurde ein neuer Hauptsponsor, und Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler dankte nach Konzertende dem Stifter-Ehepaar Christine und Klaus-Michael Kühne für sein bisheriges und sein künftiges Engagement.

Auch im Konzert am Samstag (25.8.) im Großen Saal des Mozarteums wurden einige der jungen Sängerinnen und Sänger – die Geburtsjahrgänge sofern angegeben zwischen 1995 und 1989 – „Protagonisten eines unvergesslichen Augenblicks“ (dank an Jürgen Kesting für diese schöne Formulierung). Und das trotz der mehr als lautstark knallenden Begleitung durch das Mozarteumorchester, das zu deutlich Sensiblerem fähig ist, als Adrian Kelley glaubte fordern zu müssen. Der orchestrale Tumult war nicht nur um Häuser zu laut für den Großen Saal, vor allem bot er den Sängerinnen und Sängern wenig Hilfe. Dass Mozart und Gluck im ersten Programmteil ziemlich „schief“ gingen (bis auf Liviu Holenders eleganten Beitrag als Graf Almaviva zum Duettino mit Susanna), soll freilich nicht nur dem Orchester angelastet werden. Und natürlich begeisterten wie immer die Soli der Holz- und Blechbläser.

Wie etwa die klangvollen Horn-Passagen in Szene und Arie des Edgardo „Tombe degli avi miei“ – „Fra poco a me ricovero“ aus Donizettis „Lucia di Lammermoor“, dem Dirigenten zum Trotz feinsinnigst gespielt für den Tenor Freddie de Tommaso: Große Oper von Null auf Hundert, feines Timbre auch in den strahlenden hohen Lagen, weite geruhsame Bögen, delikate Gestaltung. Auch im Duett Marcello und Rodolfo „In un coupe? ... O Mimì, tu più non torni“ aus Puccinis „Bohème“ brillierte Freddie de Tommaso – diesmal an der Seite des Basses Neven Crnić: Auch hier Opernfeeling innerhalb von Augenblicken. Neven Crnić hat mit Szene und Arie des Alfonso „Ma de’ malvagi invan“ – „Vien, Leonora, a’ piedi tuoi“ aus Donizettis „La Favorita ebenfalls die Chance genutzt, Oper im Alleingang zu entzünden.

Keine „ganze“ Oper, aber doch eine überaus charmante Szene im stimmlichen Diamantenglanz entfaltete die französische Sopranistin Marie Perbost mit der Juwelenarie der Marguerite „Ah! je ris, de me voir“ aus Charles Gounods „Faust“.

Für sie, wie für alle anderen gilt: Kein Kanonenfutter für den unersättlichen Klassik-Sängerkrieg, kein Billig-Frischfleisch für den Opern-Diskontmarkt! Das sind kostbare junge Stimmen, die es zu hätscheln und zu hegen gilt, und deren Inhaberinnen und Inhaber sich das Recht nehmen sollten, zur langsamen Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Damit auch Frau Schwarzkopf zufrieden ist. Denn deren Stimme zählt.

Bilder: dpk-klaba

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014