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Näher kann man Schumann nicht sein

FESTSPIELE / LIEDERABEND GOERNE/HINTERHÄUSER

14/08/18 Der Eichendorff-Liederkreis op. 39: In dem Dutzend-Kompendium aus Liedern fasst Robert Schumann die Motive der Romantik wie für ein tönendes Lexikon zusammen. Ein jedes der Lieder ist gleichsam Spiegel für die Befindlichkeit einer Epoche, die sich im Individuum niederschlägt.

Von Reinhard Kriechbaum

Oder ist es genau umgekehrt, geht es um den Menschen als Solitär, der gleichwohl Abbild des Seelenbildes seiner Zeit ist? Diese Ambivalenz zu fassen und doch nicht vordergründig aufzulösen – das ist die Herausforderung der Schumann'schen Liedkunst überhaupt. Da lauern gerade im Eichendorff-Liederkreis ultimative Bewährungsproben: Wie handfest darf das „Waldesgespräch“ mit der „Hexe Loreley“ ablaufen? Und wie schweigsam dürfen in der „Stille“ Schnee und Sterne sein, in einer Interpretation im lauten und hektischen 21. Jahrhundert?

Der Bariton Matthias Goerne und Markus Hinterhäuser am Klavier haben Antworten, in denen das Mysterium erhalten bleibt. Man nehme das vielleicht bekannteste Stück, die „Mondnacht“, und staune, mit welch unendlicher Feinheit Hinterhäuser die eröffnende, harmonisch vage Klaviermelodie bei ihrer Wiederkehr vor der zweiten Strophe nochmal einen Deut ungewisser, rätselhafter fasst. Mit allergrößtem Selbstvertrauen (das er in früheren Jahren so nicht hatte) spielt Goerne dazu sein mehr denn je unverwechselbares Timbre aus, ohne etwas zu „machen“. Ein solches Stimmungsbild braucht keine Fingerzeige. Geradezu entmaterialisiert gelang den beiden das nicht minder geläufige „Intermezzo“ (Dein Bildnis wunderselig), schwebend und doch von kaum gezügelter Leidenschaft durchglüht. Man darf da schon von von idealtypischen Interpretationen reden.

Der Abend hat nicht mit dem volksliedhaften „Fein Rößlein“ (Lied eines Schmiedes, nach Lenau) begonnen, wie im Programmheft angekündigt. Es wurde einiges geändert, um sehr direkt dorthin zu führen, wo Goerne und Hinterhäuser ihren Schumann haben wollen: Das Abschiednehmen, die Fremdheit, die Erinnerung, eher zaghafte Blicke aufs Jetzt und erst recht in die Zukunft – das sind Topoi aus dem 19. Jahrhundert, die gut auch in unsere Zeit passen. Die Eichendorff'sche „Frühlingsnacht“ mit der enthusiastischen Versprechung „Sie ist Deine, sie ist Dein!“ ließ man abrupt hinüber kippen ins „Wer sich der Einsamkeit ergibt“ aus den Liedern und Gesängen aus Goethes Wilhelm Meister (op. 98a). Solche Perspektive-Brechungen klappen bei Schumann wohl auch deshalb so gut, weil es im Grunde immer ähnliche Gedanken und Bilder sind, die ihn und seine Textdichter beschäftigten.

Ein Kabinettstück wohl, wie Goerne und Hinterhäuser mit der durchaus plakativen Schauerromantik eines Adalbert von Chamisso umgehen. Extrem langsam und zurückhaltend gestalten sie den Abschied der „Löwenbraut“ vom Haustier, das sich plötzlich als wenig handsam erweist – so entfaltet die eigentlich mehr als plakative Erzählung auch feine psychische Zwischentöne. Auch für Maria Stuart wird der Abschied letztlich tödlich ausgehen (wenn auch nicht so unmittelbar wie für die Löwenbraut). Mit unprätentiöser Innigkeit kam ihr „Abschied von Frankreich“ (das Eröffnungslied des fünfteiligen Zyklus op. 135) daher, den Goerne im abschließenden „Gebet“ ohne jede Larmoyanz gefasst ausklingen lässt.

In dem dichten, achtzigminütigen Schumann-Programm war ausgiebig Gelegenheit, die wundersame Weichheit dieser Stimme zu bewundern, die doch in den Lagen anregend-unterschiedliches Chroma bereit hält, das Matthias Goerne wie selbstverständlich in den Dienst der gestalterischen Sache stellt. Täte aber so stimmig nicht funktionieren, würde nicht vom Klavier her jene Unterstützung kommen, die es verbietet, bloß von „Begleitung“ zu reden. Näher kann man Schumann nicht sein.

Bilder: Salzburger Festspiele /Marco Borggreve (1); dpk-krie (1)

 

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