Zuerst Sängerin. Dann Star.
HINTERGRUND / FESTSPIELE / POPPEA
10/08/18 „Oft habe ich sogar selbst das Bedürfnis mich zu den Tänzern auf den Boden zu legen, mit ihnen zu tanzen oder sie zu lieben“, sagt Sonya Yoncheva. Es sei ein Luxus für jeden Sänger sich in so vielen Farben ausdrücken zu dürfen. Premiere Sie ist am Sonntag (12.8.). „Für die nächsten vier Wochen bin ich Poppea!“
Von Anne Zeuner
Als Sonya Yoncheva die erste Probe für Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ erlebte, sei sie froh gewesen, dass sie sowohl von Regisseur Jan Lauwers als auch vom Dirigenten William Christie viele Freiheiten bekommen hat. „Seid einfach so, wie ihr seid! Verstellt Euch nicht“, habe Jan Lauwers zu ihr gesagt, berichtet sie während des TerrassenTalks.
Erotik, Verrücktheit, Ehrgeiz – es sei eine breite Palette an Emotionen, die sie auf der Bühne verkörpern müssen, sagt Sonya Yoncheva. „Wir wollen diese beiden Monster, Poppea und Nerone, als normale Menschen darstellen.“ Es ist ihr Rollendebut und, an der Seite von Kate Lindsey als Nerone, auch das erste Mal, dass sie eine Monteverdi-Oper singt: „Am Anfang lernt man ja sehr viel im Selbststudium, man vertieft sich in diese Rolle hinein. Es ist ein spannender Prozess, wenn man dann bei den ersten Proben in Interaktion tritt, bereichert wird von den anderen Mitwirkenden und sich in einer Metamorphose weiterentwickelt“, sagt die Sängerin. Der Funke sei bei ihr definitiv übergesprungen.
Es sei eine sehr besondere Inszenierung, da die Tänzer der Needcompany, des SEAD und des BODHI PROJECT involviert sind. Besonders das tägliche gemeinsame Warm-up mit den Sängern habe sie sehr genossen. „Wir schwitzen zusammen, werden schmutzig, bewegen uns zusammen auf der Bühne, das war für uns Sänger am Anfang etwas unangenehm, weil wir so etwas nicht kannten“, sagt sie. Mittlerweile aber liebe sie die Aufwärmphasen sehr. Auch Sonya Yoncheva zeigt sich begeistert von der Zusammenarbeit mit den Tänzern. „Die Körperlichkeit dieser Inszenierung verleiht auch uns Sängern eine Intensität, die wir brauchen auf der Bühne. Es geht um Körper, Lust, Verlangen, um Liebe und Tod. Oft habe ich sogar selbst das Bedürfnis mich zu den Tänzern auf den Boden zu legen, mit ihnen zu tanzen oder sie zu lieben“, sagt die Sängerin. Es sei ein Luxus für jeden Sänger sich in so vielen Farben ausdrücken zu dürfen, sagt Sonya Yoncheva. Und sogar in der Stille, in den Pausen dieser Oper entdecke sie Theatralik.
Neu und frisch, so klinge es, wenn William Christie Alte Musik spiele, sagt Kate Lindsey. Auch sie empfindet dieses Repertoire als Musik, in der sie die unterschiedlichen Stimm-Farben zeigen könne. Oft seien nicht nur die schönen Töne gefragt, sondern eben auch etwas schrillere, ja fast grässliche Töne. Christie habe in einer Probe gesagt, sie sollen die Geschichte erzählen und nicht singen. Sonya Yoncheva gibt ihm Recht: „Wir Sänger müssen auch Geschichtenerzähler sein. Das ist ja die Herausforderung: Dass man uns glaubt! Ich bin immer sehr involviert in meine Rollen. Für die nächsten vier Wochen bin ich Poppea! Wir wollen die Zuschauer mitnehmen, sie sollen uns lieben und sie sollen uns hassen.“
Die größte stimmliche Herausforderung für Kate Lindsey, die den Nerone singt, eben diese Balance zu finden zwischen Gesang und Dramatik. Nerone sei ein komplexer Mann. Er sei ein Perverser, den man liebt zu hassen und hasst zu lieben. Diese ambivalenten Gefühle in die Stimme zu übertragen sei die große Aufgabe. Beispielsweise das Schlussduett der Oper lebe von Liebe und Schönheit und sei gleichzeitig geprägt von Finsternis und Düsterheit. Sonya Yoncheva liebt an der Musik vor allem die Dissonanzen: „Es ist sehr besonders, wie sich unsere Stimmen dabei vermischen. Dabei fühlt sich diese Alte Musik an wie Jazz. Es ist eine sehr moderne Musik“, sagt die bulgarische Sängerin.
Als sie jünger war, habe sie die Rolle der Poppea anders gesehen als heute, sagt Yoncheva. „Ich habe die Poppea in der Vergangenheit ganz schnell verurteilt. Wenn man jung ist, glaubt man an die menschlichen Werte, was ich zwar auch heute noch tue, aber ich habe mittlerweile verstanden, was für ein Spiel diese beiden da treiben“, sagt sie. Poppea und Nerone seien wie zwei Kinder, die nicht bereit sind, sich ihrer Machtfülle zu stellen. Daher würden sie maßlos übertreiben. „Poppea ist es als frisch gekrönter Königin schon wieder zu langweilig.“ Heute, so sagt Yoncheva, maße sie sich nicht mehr an ein Urteil zu fällen.
Als Star? – Nein, so sehe sie sich selbst nicht. „Es ist schwer diesem Star-System zu entkommen und ich finde es interessant, wie sich dem jeder von uns stellt“, sagt Sonya Yoncheva. „Ich jedenfalls versuche meine Füße am Boden zu behalten, gehe geerdet durchs Leben, versuche mir treu zu bleiben.“ Sie sei der Musik zu Liebe Sängerin und erst an zweiter Stelle sei sie vielleicht ein Star.
Claudio Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“ hat am 12. August im Haus für Mozart Premiere, Aufführungen bis 28. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bild: Salzburger Festspiele/Anne Zeuner