Die spanischzüngigen Liederfürsten
FESTSPIELE / ROLANDO VILLAZÓN
08/08/18 Lässt eine Sänger die „Deutschen Volkslieder“ von Brahms in Madrid, Buenos Aires oder Lima hören, könnte es leicht sein, dass das Verständnis seitens der Zuhörer an Grenzen kommt. Nicht viel anders geht es uns mit dem Spanischen „aus der alten und der neuen Welt“, dem Rolando Villazón seinen Festspiel-Liederabend widmete.
Von Reinhard Kriechbaum
So hoch das Nationale gerade weltweit bei der Politik und in der öffentlichen Meinung im Kurs steht: Auf dem (harmlosen) Boden der Musik kann man unschwer vorführen, dass eben diese Zentrierung auf die eigene Kultur, die regionale Folklore (auch wenn sie künstlerisch überhöht ist) auch dazu führt, dass die jeweilige Liedkunst nur in Grenzen wahrgenommen wird. Die „Winterreise“ funktioniert besser bei uns als in Sevilla. Das ist einsichtig.
Dabei nehmen es die von Villazón ausgesuchten Stücke – vom spanischen Festland nach Lateinamerika – an Melancholie, an Trübsal gar locker mit Schubert auf. Und, bei allerm Spaniertum: Wenn auch da und dort Folkloristisches aufblitzt, entsprechen die mehrheitlich literarischen Texte und auch die Art der Komposition kaum die Spanien-Erwartungen jenes Publikums, wie es eben in nach wie vor hinlänglicher Zahl zu Villazón strömt und das Haus für Mozart locker füllt. Die Folge: Nach über-herzlichem, anhaltenden Beifall zur Begrüßung vergleichsweise zurückhaltende Zwischen-Reaktionen. Aber Rolando Villazón versteht sich nach wie vor auf Show und Animation, so dass es am Ende doch noch für standing ovations reichte.
Das Programm war so anspruchsvoll wie gestalterisch ehrlich zusammengestellt. Villazón ist nicht der Typ des Flunkerers. Kopfüber stürzt er sich auch in Gesangsstücke, die den derzeitigen Stand von Technik und Stimmbändern überdeutlich machen (um das Wort „bloßstellen“ zu vermeiden). An gesangstechnischen Klippen fehlt es weder Manuel de Fallas „Siete canciones populares españolas“ noch Fernando Obradors' „Canciones clásicas españolas“. Die „Cinco canciones para niños“ von dem Mexikaner Silvestre Revueltas (mehrheitlich auf Texte von Federico García Lorca) sind eben so wenig leichte Kost wieder Zyklus „Las nubes“ (Die Wolken) von dem Argentinier Carlos Guastavino.
Zum Großteil also Stücke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – und viel Doppelbödiges im inhaltlichen und im musikalischen Ausdruck. Das hat die Pianistin Carrie-Ann Matheson viel konsequenter eingelöst als der Sänger. Sie verweigerte sich konsequent vorlaut herausgestellten folkloristischem Idiom, zeichnete harmonisches Zwielicht mit viel Akkuratesse. Sie war es, die den ganzen Abend hindurch jene, die die Linien vorgab, die Villazón bei Lagewechseln und im Piano oft genug weggebrochen sind.
Es war wirklich kein Abend, um das Zutrauen in Rolando Villazón zu steigern – aber einer, der den Horizont der Zuhörer hinsichtlich der spanischzüngigen Liederfürsten lohnend erweitert hat.