Ein würdiger Preisträger
YOUNG COUNDUCTORS AWARD / PREISTRÄGER 2017 / KEREM HASAN
07/08/18 Kerem Hasan, der Gewinner des „Nestlé und Salzburg Festival Young Conductors Award“ 2017 leitete am Sonntag (5.8.) in der Felsenreitschule das ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Der erst 26jährige Londoner zählt zweifellos zu den größten Dirigier-Begabungen seiner Generation.
Von Gottfried Franz Kasparek
In der ersten Hälfte begleitete Kerem Hasan mit Feingefühl und weitem Atem den Geiger Augustin Hadelich, der das Konzert von Jean Sibelius mit Akkuratesse und wohl dosiertem Vibrato ohne Fehl und Tadel spielte und nach etwas mechanisch wirkendem Beginn spätestens in der breit ausgekosteten Kadenz zu einer schönen Mischung aus stupender Virtuosität und verinnerlichtem Ausdruck fand. Den Beginn störten allerdings sonderbare Nebengeräusche, für die wohl eine technische Rückkoppelung verantwortlich war. Das Konzert wurde im ORF live übertragen.
In balsamischer Melancholie erklang der zweite Satz, in gebührend rhapsodischer Dramatik der dritte. Solist und Dirigent vertrugen sich aufs Beste. Das Orchester setzte feine Akzente, übte sich jedoch oft in ein wenig zu nobler Zurückhaltung. Den Jubel des Publikums bedankte Augustin Hadelich mit der brillant artikulierten Caprice Nr. 21 von Paganini.
Nordische Schwermut prägte den ganzen Konzertabend. Da zeigte das RSO Wien, was in ihm steckt. Streicher, die ganz wienerisch weich klingen können, aber ebenso metallisch auftrumpfend und fabelhaft sonor. Gestochen exakt intonierende Holzbläser, die zu weltverlorenen Kantilenen voll russischer Wehmut fähig sind. Hell schmetterndes und aufregend bedrohlich krachendes Blech, eine famose Schlagzeuggruppe. Dies alles sind Vorzüge, die der 10. Symphonie von Dimitri Schostakowitsch zugute kamen.
Kerem Hasan arbeitete die Kontraste zwischen lyrischer Intensität und plakativer Jubelmusik deutlich heraus. Die doppelbödige Sphäre der parodistisch aufgedonnerten Parteitagsklänge kam effektvoll zum Vorschein. Mag diese gewaltige und gewalttätige Symphonie nun mehr ein satirisches Porträt Stalins sein oder doch eher das Dokument einer der vielen unglücklichen Lieben des Komponisten zu einer Schülerin, wie Notensymbolik beweist - ein mitreißendes und zwischendurch abgründiges und tief berührendes Panorama einer im Offiziellen und im Privaten stets gefährdeten Künstlerexistenz ist sie auf jeden Fall.
Natürlich geriet der junge Maestro mitunter in Gefahr, Schnelles zu schnell und Langsames zu langsam zu gestalten, doch insgesamt überwog eine klug durchorganisierte Tempo-Dramaturgie. Und vor allem kann der kleine Mann mit wehendem schwarzem Lockenkopf und fröhlichem Burschengesicht ein Orchester blendend motivieren und seine Leidenschaft für Musik glaubwürdig ehrlich vermitteln. Dass er derzeit „Associate Conductor“ an der „Welsh National Opera“ ist, lässt hoffen, dass er seine Karriere gescheit aufbaut und sich nicht als durch sie Welt rasender Jungstar am Pult verheizen lässt. In Salzburg würde man ihn sehr gerne bald wieder erleben.