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Im Dickicht der Sätze

FESTSPIELE / SIMONISCHEK

03/08/18 Peter Simonischek vermittelte bei seiner Lesung im Landestheater einen Eindruck vom rabiaten Gerechtigkeitssinn Heinrich von Kleists. Simonischek geht auf der schwarz ausgeschlagenen Bühne auf den Lesetisch zu, setzt sich und konzentriert sich auf den Text. Wenn dieser von Kleist ist, braucht es nicht mehr.

Von Werner Thuswaldner

Peter Simonischek brauchte am Donnerstag (2.8.) im Salzburger Landestheater keinerlei Zutaten, um mit Texten von Heinrich von Kleist sein Publikum in Bann zu ziehen. An Leseabenden ist es immer wieder zu erleben, dass die Vortragenden fürchten, mit dem Vorlesen allein nicht attraktiv genug zu sein. Also bieten sie auch noch Musik, Beleuchtungseffekte, filmische Zuspielungen artistische Einlagen und verschiedenes mehr an, um den Abend möglichst kurzweilig zu gestalten. Peter Simonischek geht auf der schwarz ausgeschlagenen Bühne auf den Lesetisch zu, setzt sich und konzentriert sich auf den Text. Wenn der, wie dies am Donnerstag im Landestheater der Fall war, von Heinrich von Kleist ist, braucht es nicht mehr.

Simonischek vermittelt den Eindruck, als wäre es das Natürlichste von der Welt eineinhalb Stunden Kleist vorzulesen. Sollte ein Laie es auf einen Versuch ankommen lassen, er müsste nach ein paar Sätzen scheitern. Kleists Satzbau hat es in sich. Diese kompliziert verschachtelten Gebilde nicht als abgehacktes, sich selbst immer wieder ins Wort fallende Suada, derart zu zähmen, dass der Absturz in den Wahnsinn gerade noch vermieden wird, das ist die große Kunst des Vortragenden.

Besonders extrem zeigen sich diese Eigenschaften in der Novelle über den mit starkem Gerechtigkeitssinn begabten Pferdehändler Michael Kohlhaas. Der vorwärtsdrängende Text kommt über Seiten hinweg ohne Absatz aus. Rasant bricht das Unglück über den Mann herein, der sich der Willkür der Obrigkeit ausgesetzt sieht, der nicht leicht aufgibt, sondern seine ganze Existenz riskiert.

Simonischek zeigte sich erfreut über da volle Haus, zu Mal die Ankündigung seines Abends, wie er sagte, missverständlich gewesen sei. Simonischek/Marionettentheater - hätten die Hinweise geheißen. Aber das kluge Publikum habe sich nicht in die Irre führend lassen, sei nicht in das Marionettentheater nebenan gegangen, sondern habe seinen Platz im Landestheater gefunden, wo unter anderem der berühmte Essay von Kleist „Über das Marionettentheater“ auf dem Programm stand. Der Inhalt des Texts beschäftigt das Schauspielgewerbe seit jeher bis heute. Kann ein Schauspieler, der sich bei seiner Darstellung vom Intellekt leiten lässt, gut sein? Oder ist nicht der viel besser, dem störende gedankliche Skrupel fremd sind?

Kleist bietet in dem Essay eine Fülle bedenkenswerter Überlegungen. Übrigens kann es sehr reizvoll sein, den Text auch als satirisches Gedankenspiel mit Anspielungen auf Darstellungsformen seiner Zeit zu lesen.

Peter Simonischek hat sein Publikum den Dichter mit Nachdruck zu eingehenderer Befassung empfohlen.

Die weiteren Festspiel-Lesungen – 7. August „Aus der Welt fallen“ mit Texten von David Grossmann, 22. August „Briefe einer Freundschaft“ mit Briefen von Bachmann und Henze und 24. August „Hommage an Walter Kappacher“ - www.salzburgerfestspiele.at
Bild: Salzburger Festspiele / Reinhard Werner

 

 

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