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Pianistisches Feuerwerk

FESTSPIELE / KISSIN

03/08/18 Trotz aller schon in früher Jugend erlangten Reife dauerte es lange, bis sich Evgeny Kissin vom Wunderkind-Image, dem auch Herbert von Karajan erlag, befreien konnte. Mittlerweile 37 Jahre jung, begeisterte der Russe entgegen vordergründiger Erwartung reinen Virtuosentums.

Von Horst Reischenböck

Das Programm zeugte von kluger Konzeption: War es bei seinem letztjährigen Festspiel-Auftritt eine Auswahl aus den Etüden, so begann er am Donnerstag (2.8.) im Großen Festspielhaus mit einer Trias aus den 21 Nocturnes: jedes einzelne vom Aufbau in sich ein dreiteiliges Juwel.

Laut Zeitgenossen folgte Chopin beim Spiel mit der linken Hand jeweils streng dem Metrum, während er mit der Rechten dem Gesang freien Lauf ließ. Dementsprechend „schlich“ Kissin sich zart verhalten in die melancholische Serenade f-Moll op. 55/1, kontrastierte dazu genauso verinnerlicht das „Wiegenlied“ G-Dur op. 37/2 und schloss mit der Leidenschaft des allerletzten Beitrags zur Gattung des Nocturne E-Dur op. 62/2.

Damit schuf er auch in gewisser Weise eine gedankliche Querverbindung zur Kompositionstechnik von Chopins unmittelbarem Zeitgenossen Robert Schumann. Kissin machte es sich nicht leicht, indem er sich der relativ selten zu hörenden „Grande Sonate pour le Pianoforte“ f-Moll Nr. 3 op. 14 widmete. In viersätziger Gestalt inklusive des auf Verlangen des Wiener Verlegers Tobias Haslinger eliminierten Scherzo an 2. Stelle. Stürmisch verbiss sich Kissin in das eröffnende Allegro, ließ die Variationen des langsamen Satzes über ein Thema von Clara Schumann im Trauermarsch erschütternd ersterben, ehe er sich mit gefordert schnellstmöglichem Prestissimo dem Finale in den Rachen warf.

Die Paarung von Claude Debussy mit Aleksandr Skrjabin im zweiten. Teil folgte genauso innerer Logik. Zumal in Gedanken daran, welche Eindrücke, Einflüsse der Franzose aus Russland mitbrachte, die sich mitunter unüberhörbar dann auch in seinem Schaffen niederschlugen.

Kissin wählte vorerst ein halbes Dutzend von Debussys Préludes aus dem ersten Band. Verhalten, getragen ausgehend vom Beginn der delphischen Tänzerinnen nach Sprung zur Nr. 5, den quirlig glitzernden Hügeln von Anacapri zu den Nummern sieben bis zehnt: auf das plastisch wild genommene Aufrauschen der „Erzählung des Westwinds“ als behutsam zurückgenommen lyrischer Kontrast, subtil pedalisiert „das Mädchen mit dem flachsblonden Haar“. Hingebungsvoll rhythmisch gekennzeichnet der andalusische cante hondo in der „unterbrochenen Serenade“ und perfekt befolgt Debussys differenzierte Dynamik-Vorgaben für „die versunkene Kathedrale“.

Wirkungsvolle Stücke wie der unter seinen Fingern grandios exzentrisch dahin stolpernde Général Lavine und das virtuos Glissandi über die Klaviatur fordernde Feuerwerk aus dem zweiten Band ließ sich Kissin logischerweise danach nicht entgehen. Skrjabins kurze Sonate Nr. 4 in Fis-Dur op. 30 war dann danach eigentlich schon eingeschriebene Zugabe und mit ihrem Prestissimo volando Anknüpfungspunkt zu Robert Schumann. Ein festspielwürdiger Abend: den Beifallssturm besänftigte Kissin nochmals überaus kontrolliert, introvertiert mit der berühmten „Träumerei“ aus den „Kinderszenen“.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 

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