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Terra tremuit

FESTSPIELE / BR-CHOR / KOPATCHINSKAJA / HINTERHÄUSER

23/07/18 In ein Hoch-Energie-Zentrum verwandelt haben Patricia Kopatchinskaja und Markus Hinterhäuser den Großen Saal des Mozarteums mit Sonate und Duett für Violine und Klavier von Galijna Ustwolskaja. Zuvor erklang – in Fortsetzung des Passions-Motivs der Ouverture spirituelle – der „Kreuzweg“ von Franz Liszt mit dem BR-Chor unter Howard Arman und dem Pianisten Igor Levit.

Von Heidemarie Klabacher

Da glaubt man, der Höhepunkt der Auseinandersetzung ist erreicht – noch mehr Druck und auch die restlichen Bogenhaare reißen und auch der Klavierbauer muss anrücken – da geht der Sturm erst richtig los: „Duett für Violine und Klavier“ heißt ganz schlicht Galina Ustwolskajas Stück aus 1964, das Patricia Kopatchinskaja und Markus Hinterhäuser haben zum Ereignis werden lassen. Bogenstriche wie Blitze, Klaviertremoli wie Erdbeben, und bei allem Aufruhr konzentrierteste Präzision im Mit- wie im Gegeneinander: eine virtuose Performance.

In spannendsten Gegensatz dazu stand die – ebenfalls ganz schlicht bezeichnete – „Sonate für Violine und Klavier“ aus 1952. In diesem Werk lässt Ustwolskaja die Instrumentalisten in einer pochend vorwärtsdrängenden Art und Weise, doch ganz ohne zählbares Metrum und meist mit introvertierter Ruhe, weitausgreifende Energiebögen auf- und wieder abbauen. „Zeit für Ustwolskaja“ zum Atem anhalten.

Zuvor ein weiterer spannender Beitrag zum Passions-Thema der Ouverture spirituelle: Mit „Via crucis – Les 14 Stations de la Croix für Solostimmen, gemischten Chor und Klavier“ von Franz Liszt erklang innerhalb dreier Festspieltage die vierte Variante des Themas, die fünfte, wenn man die vielen stilisierten Parallelen zwischen Kreuzestod Jesu und Flammentod der Jungfrau im Stummfilm „La Passion de Jeanne d’Arc“ mitzählt. Auch die Detail-Bezüge sind weiterhin subtil. Der Hymnus „Vexilla Regis” ist schon in der Stummfilmmusik zu Jeanne d’Arc vorgekommen, genau wie die Sequenz „Stabat Mater”. Neu war „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ in einem schlichten Choral-Satz, der erst in der Schlussphrase „gegrüßet seist du mir“ harmonisch zu schillern beginnt.

Dieser „Kreuzweg“ ist keine Bebilderung in vierzehn Stationen, sondern eine hochartifizielle Ausdeutung des Abbé Liszt. Der Facettenreichtum, den der Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Howard Arman, gemeinsam mit dem Pianisten Igor Levit entwickelten, war betörend. Glasklar und ätherisch klangen die „Stabat Mater“-Einwürfe der Damen des BR-Chores, mit denen die drei Zusammenbrüche Jesu unter dem Gewicht des Kreuzes kommentiert werden. Das Klavier „begleitet“ nicht nur, ihm sind zentrale „Stationen“ als große expressive, formal freie Soli anvertraut; auch die Klaviereinleitungen zu den Vokalteilen sind sprechende Ausdeutungen. Igor Levit hat dem Steinway Klänge entlockt, etwa in der Station 12 „Jesus stirbt am Kreuz“, die in ihrem Nuancenreichtum alles in den Schatten stellten, was man aus einem modernen Flügels je klingen gehört hat.

Nach Buddhismus, Hinduismus und Islam steht heuer also das Christentum, genauer gesagt seine Katholische Lesart, im Zentrum der Ouverture spirituelle, was natürlich super ins ehemalige Fürsterzbistum passt und außerdem viel eigenwilliger und mutiger ist, denn dem interreligiösen Zeitgeist huldigt bald einmal wer.

Hörfunkübertragung am 31. Juli um 19.30 Uhr auf Ö1
Bild: Marco Borggreve

 

 

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