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Dunkle Stunden. Lichte Höhen.

FESTSPIELE / MOZART-MATINEE / MINASI

21/07/18 Welch stimmige Eröffnung des Reigens der Mozart-Matineen mit DEM Klarinettenkonzert und einem Oratorium, das - über 160 Jahre hinweg - zum Vergleich einlädt mit der die Festspiele eröffnenden Lukaspassion von Krzysztof Penderecki: Ludwig van Beethovens „Christus am Ölberge“ ist ein ausgewachsener Opern-Einakter.

Von Heidemarie Klabacher

Darf Jesus singen? Muss sich eine Passion an die Evangelien halten? Krzysztof Penderecki wie weiland Ludwig van Beethoven haben sich um Tradition wenig gekümmert. Tatsächlich scheinen Libretti für Passionen zu allen Zeiten Glücks- und Geschmackssache zu sein. Hat man Krzysztof Penderecki den wild zusammengewürfelten Text seiner Lukaspassion vorgeworfen, hat Ludwig van Beethoven selber gemeint, dass das der Text zu „Christus am Ölberge“ wirklich „äußerst schlecht“ sei. Gegen Textänderungen hat er sich dennoch entschieden verwehrt. Und wie recht er hatte: Er hat mit seinem Oratorium für Soli, Chor und Orchester op. 85 keine „Passionsmusik“, sondern eine eigenwillige und überaus bewegende Opernminiatur geschaffen.

Das Mozarteumorchester, der Bachchor Salzburg, die Sopranistin Simona Šaturová als Seraph, der Tenor Benjamin Bruns als Jesus (auch so eine Eigenmächtigkeit, den Jesus von einem Tenor singen zu lassen) und der Bass Henning von Schulman als Petrus haben die so verinnerlichten wie dramatischen Ereignisse am Ölberg mit überwältigender Farbigkeit, grandios dosierter Dynamik, stupender Textdeutlichkeit und mitreißender Verve „auf die Bühne“ gebracht.

„Oh, welch ein Dunkel hier“, singt Florestan im „Fidelio“ im Kerker. Nicht weniger unter die Haut geht es, wenn Christus in Erwartung von Folter und Kreuzestod am Ölberg singt: „Meine Seele ist erschüttert von den Qualen die mir dräun“. Das ist, beim Wort genommen, wirklich nicht genial gedichtet. Doch in der Vertonung des Genies verbinden sich Text und Musik zu bewegenden Bildern. In lichte Höhen führte der Tenor Benjamin Bruns die Partie Jesu. Vom Petrus des Basses Henning von Schulman hätte man gerne mehr gehört. Textdeutlich bis hinein in die Schrulligkeiten des vielgeschmähten Textes von Franz Xaver Huber gestalteten Bass und Tenor ihre Partien. Mit strahlenden Glanz und wohl verborgener Kraft ließ die Sopranistin Simona Šaturová ihre Koloraturen strömen. Der Bachchor Salzburg gab Engel und Bösewichter mit Elan, mit größter Geschmeidigkeit wussten vor allem die Herren die rasch wechselnden Stimmungen zu treffen.

Eröffnet wurde die Mozart-Matinee am Samstag (21.7.) mit Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur KV 622. Riccardo Minasi hat dem ersten Satz von KV 622 keine „Interpretation“ aufgesetzt, sondern das Werk mit feinstem Gespür für Dynamik und Agogik und elegantem Drive quasi für sich selber sprechen lassen. Andreas Ottensamer gab sich auf der Bassklarinette hurtig und geschmeidig als schlagfertiger Dialogpartner mit Esprit, bewegte sich aber an der Grenze zur Beliebigkeit. Von den Mozart’schen Tiefgründigkeiten, die ja auch in diesem Lichtwerk enthalten sind, erzählten stellvertretend die Hornisten mit dunklen Farben.

Den langsamen Satz gingen Dirigent und Solist so langsam an, dass es beinah sentimental anmuten wollte – doch mittels der stupenden Technik des Solisten und des ebenso klaren, wie kräftigen Orchestersounds ließ es sich wunderbar wegträumen. Vom Feinsten: die Klarinettenläufe im Pianissimo. Die Wiederkehr des Hauptthemas heraus entwickelt aus einem Pianissimo an der Grenze zur Hörbarkeit, entrückte für Augenblicke der Welt. Zum Atemanhalten das weit gespannte, energiegeladen aufgebaute „Crescendo“ das über ein Piano kaum hinausführte. – Eine Mozart-Matinee aus dem Musterbuch.

Bilder: Drew Gardner (1); dpk-klaba (1)

 

 

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