Von Obsessionen und Leidenschaften
SALZBURGER FESTSPIELE 2018 / PROGRAMM 2017
08/11/17 Eine „Zauberflöte“ am Beginn der Festspiele. Das ist nichts Unerwartetes für Salzburg. Aber es wäre nicht Markus Hinterhäuser, wüsste er nicht augenblicklich jeden Hintergedanken ans eben gut Vermarktbare am exponierten ersten Platz zu zerstäuben.
Von Reinhard Kriechbaum
Im Vorjahr ging es um die Macht. Heuer, so erklärte Markus Hinterhäuser bei Programmpräsentation für den Festspielsommer 2018, wolle man „die anderen Kräfte neben der Macht“ zeigen. Stoffe also, in denen Menschen Obsessionen und triebhafte Leidenschaften ausleben. „Es sind die Werke der Passion, der Leidenschaft und der Extase, die das Programm der Salzburger Festspiele prägen.“
Nur auf den ersten Blick scheine die „Zauberflöte“ in diesem Kontext fremd zu sein, erklärt Hinterhäuser. Er sehe in ihr das Weltgefüge wie in einem Mikroskop“, das Werk also als einen „universellen, lichten, spielerischen Diskurs über all diese Themen, wie das nur Mozart im Zeitalter der Aufklärung in seiner Musik verwirklichen“ habe können.
Dann wird es auf der Opernbühne wirklich leidenschaftlich: In Monteverdis letzter Oper, „L’incoronazione di Poppea“, werden der Machthunger der Poppea mit der Besessenheit des Nero, werden Gewalt und Erotik kunstvoll verwoben. Aus den „Bakchen“ des Euripides schöpfte Hans Werner Henze die Inspiration für seine Oper „The Bassarids“, ein Triumph des Rausches über die Vernunft. Und die Leidenschaft der „Salome“ bei Richard Strauss entzündet sich an dem von ekstatischer Frömmigkeit beseelten Jochanaan. Hermann, der junge Offizier in Tschaikowskis „Pique Dame“, gerät über das Geheimnis von drei Karten außer sich und verliert sich im Wahn der Liebe und des Spiels.
Wenn Markus Hinterhäuser über die Opernproduktionen des vergangenen Sommers und jenen 2018 blickt, so betont er die große Zahl an neuen Regisseuren: Acht von zehn arbeiteten das erste Mal in Salzburg, manche sogar neu im jeweiligen Genre. Die US-Amerikanerin Lydia Steier, die die „Zauberflöte“ inszenieren wird, hat er in seiner Zeit als Festwochen-Leiter kennen gelernt (da hat sie Händels „Jephta“ inszeniert. Auch den „Salome“-Regisseur Romeo Castellucci kennt er von den Festwochen, von einer einprägsamen Regiearbeit in Sachen Gluck („Orpheus und Eurydice).
Hans Neuenfels für Tschaikowskys „Pique Dame“, Jan Lauwers (von der Needcompany) für Monteverdis Poppea Krzysztof Warlikowski für Henzes Bassariden – das alles macht zuerst einmal ziemlich neugierig.
Eigentlich wollte man gar nicht „Pique Dame“ machen, sondern „Aida“ wiederaufnehmen (auch ohne Anna Netrebko). Aber dann habe Riccardo Muti kurzfristig kundgetan, er werde im Sommer nie mehr Oper dirigieren. „Aus rein privaten Gründen“, wie Hinterhäuser hervorhebt. „Das hat uns auf dem falschen Fuß erwischt“, räumt er ein. Immerhin: Für die obligate Konzert-Trias mit den Wiener Philharmonikern wird Muti seinen Sommerurlaub unterbrechen.
Zwei von vier Schauspielproduktionen sind dramatisierte Romane Knut Hamsuns „Hunger“ stelle eine wahre Passionsgeschichte dar mit einer zentralen Figur, die von seinen Obsessionen angetrieben wird, erklärt die Chefin des Schauspiels bei den Festspielen, Bettina Hering. Dafür holt man Frank Castorf als Regisseur (Perner-Insel). David Grossmans dramatisierter Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“ wird im republic produziert, in der Regie von Dušan David Pařízek. Johan Simons wird Kleists „Penthesilea“ auf zwei Personen reduzieren. Zweite Produktion auf der Pernerinsel sind Aischylos' „Die Perser“.
Wie sehr es Markus Hinterhäuser um die Sache und nicht um prominente Namen geht, hat die Präsentation des Spielplans vor der Presse heute Mittwoch (8.11.) deutlich gezeigt: Da wurden beispielsweise kurze Statements der Regisseure eingespielt und das durch und durch hochrangige Konzertprogramm eigentlich nur am Rande gestreift. Da ist der Zyklus aller Beethoven-Symphonien mit musicAeterna unter Teodor Currentzis ein Highlight. Die „Ouverture spirituelle“ setzt am 20. Juli mit der herausfordernden Lukaspassion von Krzysztof Penderecki ein, der „Jedermann“ in der Version von Michael Sturminger und Tobias Moretti ist natürlich schon da zu sehen.
„Zeit mit Galina Ustwolskaja“ gilt es zu verbringen, und auch Beat Furrer steht als Komponist im Fokus. Das Programm der Festspiele 2018 wird DrehPunktKultur in den nächsten Tagen im Detail vorstellen.