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Reif für die Geigen-Insel

FESTSPIELE / PITTSBURGH SYMPHONY ORCHESTRA

30/08/17 Von einem Glücksfall der Musikgeschichte zu sprechen, wäre vielleicht übertrieben. Aber dass sich die deutsche Geigerin Anne-Sophie Mutter und der polnische Komponist Witold Lutoslawski in den 1980er Jahren über den Weg gelaufen sind und sich schätzen gelernt haben, war gut für beide Seiten.

Von Reinhard Kriechbaum

1986 hat die Geigerin Lutoslawskis „Chain 2“ uraufgeführt, einen etwa zwanzigminütigen „Dialog“ für Violine und Orchester. Dem Wunderkind-Alter war sie damals schon entwachsen, aber immer noch sehr jung und schon sehr gefragt auf den internationalen Podien. So erinnerte sich Witold Lutoslawski (1913-1994) an ein Stück, eine Partita für Violine und Klavier, das er in Hinblick auf Aufführungen durch Anne-Sophie Mutter für Orchester umarbeitete. Und um „Chain 2“ und die „Partita“ aneinander zu binden – zusammen ergeben sie ein respektables „Violinkonzert“ –, hat der Pole noch ein verbindendes „Interlude für Orchester“ komponiert. 55 Minuten altersreifer Lutoslawski mit geigerischer Verführung, nun schon bewährt seit mehr als einem Vierteljahrhundert ...

In dieser Form haben die Mutter sowie Manfred Honeck am Pult des Pittsburgh Symphony Orchestra diese drei Werke im letzten Orchesterkonzert dieser Festspiele am Dienstag (29.8.) hören lassen. Die beiden für sie und ihren Ton maßgeschneiderten Soloparts passen der Geigerin logischerweise wie eine zweite Haut. Zur Partita könnte einem einfallen: Reif für die Insel! Immer wieder führt das Soloinstrument ja ein Inseldasein, dann zieht sich das Orchester zurück und die Geige trifft sich erst mit der Celesta, dann mit dem Klavier, auch ein schier unendlich gehaltener Holzbläserakkord bildet solche Halte- und Ruhepunkte.

Obwohl die Partita knallig zu Ende geht, gab's dankenswerter Weise keinen Zwischenapplaus, mit merklicher Konzentration tauchten die Zuhörer ein in das filigran hingehauchte Interlude – ein Stück, das so verhalten instrumentiert ist, dass eine Pianissimo-Melodie der Posaune, ein tendenzielles Mezzoforte der Oboe und zuletzt ein paar von Fagott und Klavier hingetupfte Töne schon wie Schreie empfunden werden. Da ist „Chain 2“ von deftigerer Machart, zumindest in den „A battuta“ überschriebenen Teilen. Auch hier aber die für Lutoslawski typischen, einprägsamen Rückzugsgebiete, in denen die Geigerin und die jeweils reduzierte Begleitung ihre eigenen Tempi ausleben dürfen. So kommt der improvisierte Zufall, der natürlich längst keiner mehr ist, zu seinem Recht.

Programme mit heftigen Kontrasten hatten in den Konzerten in diesem Sommer System, so auch diesmal: Nach Lutoslawski die „Pathetique“ von Tschaikowsky – warum eigentlich nicht? Da haben sich die Hörer übrigens doch zwischendurch zu Zwischenbeifall mitreißen lassen, nachdem Manfred Honeck den ohnedies schon recht zackig und forsch angegangenen dritten Satz einem martialisch knallendem Ende zugeführt hatte. Entschieden zuviel des Guten, aber Applaus provozierend... Dafür hat sich nach den Melancholien des Finalsatzes, nach den auch nicht gerade emotionsarm geratenen immer gleichen Tönen der Kontrabässe, lange keiner zu klatschen beginnen getraut. Nennen wir es Ergriffenheit.

Manfred Honeck, der als Chefdirigent des Pittsburgh Symphony Orchestra nun schon in seine zehnte Saison geht, hat die Streicher ganz „europäisch“ überformt (da spürt man den ehemaligen philharmonischen Bratschisten), und auch manche Holzbläser-Beiträge muteten weicher an, als man sie von einem amerikanischen Orchester erwartet. Und wenn sich dann die Brass-Mannschaft einmengt... Insgesamt eine in den Tempi sehr variable, mutig romantisierende Wiedergabe, mit nicht wenig Effekt-Bewusstsein im Einzelnen.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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