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Ö-Bild mit imperialer Schlussbestätigung

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER, BARENBOIM

26/08/17 Ein wenig hat die letzte Festspiel-Matinee der Wiener Philharmoniker unter Daniel Barenboim an den Wetterbericht fürs Wochenende denken lassen. Hochsommerlich im Grunde, aber Aussicht auf schwere Gewitter. Die dräuen ja auch am Beginn von Gustav Mahlers siebenter Symphonie.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Wolken massieren sich im schweren Blech, und die scharf punktierten Noten in den Streichern lassen auch nicht gerade Zutrauen aufkommen. Aber an den Rändern der Wolken sieht man doch noch viel blauen Himmel über Österreich, über dem Wien des Fin de siècle. Und wenn dann erst die Solotrompete anhebt! Sie zieht Bläserchoräle nach sich, in denen höchstens die eine oder andere Klarinettenschärfe leicht irritiert. Spätestens mit dem Aufrauschen der Harfe ist die heile Welt beschworen – die Stelle für Daniel Barenboim schlechthin, wie überhaupt ihm die „Siebente“ von der Hand geht, als wäre sie ein Spiegel seiner Harmonie-Sehnsucht. Da züngeln leise die Wunderhorn-Flämmchen auf, bis schließlich am Ende des Eröffnungssatzes allen modernistischen Gewitterfronten der Marsch geblasen wird.

Das ist Barenboim authentisch wie nur, und das sind die Wiener Philharmoniker: Nur mit diesem Orchester kann er seine Sicht auf gerade diese Mahler-Symphonie eins zu eins umsetzen. Absolut schlüssig, und doch sehr eigen. Eine Option wäre es ja, Satz um Satz darzustellen, wie Mahler – dem Diktum nach ein Zeitgenosse der Zukunft – diese Zukunft, den Expressionismus hat hereinbrechen sehen und trotzig seine fest im 19. Jahrhundert ankernden Überzeugungen dagegen hielt. Der Finalsatz stünde dann für ein endgültiges Herumreißen des Ruders, fürs ultimative Einlegen des Rückwärtsgangs.

Barenboim sieht das anders. Er lässt Satz um Satz feinere, wehmutsvollere Idylle-Bilder entstehen. Die in die erste Nachtmusik hinein bimmelnde Kuhherde (oder sind's doch eher Ziegen?): Die Herde jedenfalls könnte abgebildet sein auf einer Korrespondenzkarte aus einer Zeit, da man noch nicht Urlaub, sondern Sommerfrische gemacht hat. Weiter geht’s ins Scherzo, gar so, als ob gefährdetes österreichisches Kulturgut Punkt für Punkt aufgelistet werden soll. Ur-gesund sind diese Walzer, auch wenn sie gelegentlich querständig erscheinen mögen in Mahlers Partitur. Wie die Wiener Philharmoniker das spielen – stundenlang möchte man sich das geben.

In der zweiten Nachtmusik erinnert man sich unwillkürlich daran, dass der oberösterreichische Landler und der Aberseer Pascher heutzutage auf der UNESCO-Liste des schützenswerten Kulturguts stehen. Sie haben also die letzten 110 Jahre überlebt, so krass Mahler die idiomatischen Gefährdungen auch geschildert hat in diesem Satz. Vielleicht hätte Mahler seinen Interpreten Barenboim als Leiter der Österreich-Werbung anempfohlen, wenn es diese Einrichtung damals schon gegeben hätte.

Und dann die Rundung in Barenboims ohnedies schon runden philharmonischem Österreich-Tableau: Wie die imperiale Bestätigung der guten alten Monarchiezeit wirken die Bläser-Türme, und wie der Segen von oben zu alledem wirkt das finale Gebimmel der Röhrenglocken. Dazwischen, mit feinen instrumentalen Details anschmiegsam illustriert: so etwas wie ein tönendes Verzeichnis lohnender ruraler Quartiere. So eine Liste, das darf man auch nicht verschweigen, hat dann schon ihre Längen. Aber wenn sie Barenboim und die Wiener Philharmoniker in Musik übersetzen...

Das Konzert wird morgen Sonntag (27.8.) um 11 Uhr wiederholt – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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