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Liederglück mit Glockentönen

FESTSPIELE / LIEDERABEND KRASSIMIRA STOYANOVA

19/08/17 Die bulgarische Sopranistin Krassimira Stoyanova gab einen wirklichen Liederabend, kein als solchen verkapptes Arienkonzert. Das Publikum am Freitag (18.8.) im Großen Saal des Mozarteums war glücklich.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die Stoyanova ist eine gestandene Operndiva, österreichische Kammersängerin und vor allem mit Verdi, Puccini, Richard Strauss und slawischem Repertoire daheim auf den großen Bühnen der Welt. Sie verfügt über eine der schönsten Sopranstimmen der Gegenwart. Aus einer tragfähigen, dunkel schattierten Tiefe und Mittellage heraus kann sie sich immer noch bis in höchste Höhen nahezu bruchlos steigern, die Jubeltöne klingen hell und dennoch warm, das Timbre ist unverkennbar, die Ausdruckskraft bezwingend. Und sie kann ihre Stimme perfekt dem Raum anpassen, nichts wird zu laut, aber alles ist da.

Doch wie schafft eine Desdemona und Tosca die „Sieben frühen Lieder“ von Alban Berg? Mit großem Gefühl, zweifellos, aber auch mit sprachlicher Kompetenz und gefühlvoller Artikulation, fein austariert zwischen schwelgerischer Spätromantik und abgründigem Expressionismus, wie diese Gesänge eben sind. Berg ist ja der eigentlich am visionärsten in die Zukunft weisende Komponist der Schönberg-Schule. Denn der großen Melodie hat er, Atonalität und Dodekaphonie hin und her, nie abgeschworen. Natürlich merkt man den frühen Liedern die Beschäftigung mit Strauss und Mahler an, aber sie haben doch schon den typischen, herben Berg-Ton, den der ansonsten untadelige Mann am Klavier, Jendrik Springer, ein wenig mehr hätte herausarbeiten können.

Ganz besonders gut in der Kehle liegen der Stoyanova, einer gefeierten Marschallin und Ariadne, natürlich die Lieder des Richard Strauss mit ihrem opernhaften Applomb. Da kann sie ihre Glockentöne herrlich ausbreiten – und hat doch eine sehr sensible Auswahl getroffen, hat nicht die großen Konzertsaal-Arien gewählt, sondern ein Bukett lyrischer Weisen gebunden, vom berühmten „Morgen!“ bis zur balsamisch wehmütig niedersinkenden „Nacht“. Dazwischen schwebte man in der Tat „wie auf Engelsschwingen“ in einen Gesangshimmel.

Nach der Pause gab es russische Lieder, die hierzulande doch seltener erklingen, was schade ist, denn die ganze Gefühlswelt Tschaikowskis findet sich auch in seinen Romanzen. Mag sein, dass in seiner Instrumentalmusik mehr Modernität steckt, in diesen wundersamen Gesängen pulsiert Herzblut, nahe verwandt mit „Eugen Onegin“. Der große Zauber slawischer Melancholie verbindet sich mit inniger Sehnsucht. Schöner, erfühlter, stimmiger als von Krassimira Stoyanova kann dies nicht interpretiert werden. Keine Frage, dass ihr die russische Sprache besonders entgegen kommt – hier fließt die Stimme besonders frei. Dies gilt auch für Sergej Rachmaninow, dessen Lieder übrigens trotz aller slawischen Seele nicht weniger am Puls der Zeit um 1900 und im Detail harmonisch experimentell sind als jene von Berg. Freilich kommt dazu ein oft mächtig aufrauschendes Klavierpathos, welches Jendrik Springer freudvoll bediente.

Der ausgiebige Jubel des Publikums wurde mit einer einzigen, doch desto stimmungsvolleren Zugabe belohnt, einem kostbaren, poesievollen bulgarischen Wiegenlied.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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