Grimmige Heiterkeit
FESTSPIELE / LESUNG HAPPEL, THIEME
19/08/17 Einst kam er vor dem Dom als Mammon im „Jedermann“ aus der Kiste, aber seinen ganz besonderen Auftritt hatte der Schauspieler Thomas Thieme 2007 auf der Halleiner Pernerinsel, als er in Gestalt Molieres in einer Schneelandschaft auf der Bühne saß, in ein Mikrofon grummelnd und zwischendurch masturbierend.
Von Werner Thuswaldner
Das in Kiel beheimatete Autorenduo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel hatte damals vier Charakterkomödien zusammengerührt und stark verfremdet. Die Inszenierung Luc Percevals hatte daraus eine kräftige Provokation des angeblich abgehobenen Salzburger Publikums machen wollen. Die saturierten Leute sollten einmal einen gehörigen Schreck abkriegen. Die Rechnung ging damals aber angesichts der langweiligen Darbietung nicht auf. „Ein schlechter Unterleibswitz“, hieß es etwa in der „Welt“. Thomas Thieme wurde vielfach bemitleidet und reagierte böse. Über die Festspiele äußerte er sich ganz und gar abfällig. Zum „Spiegel“ sagte er in einem Interview:
„Hier sind es nicht Erich Mielke (Chef der Stasi) und Erich Honecker (Staatsratsvorsitzender der DDR), die aufpassen lassen, sondern Nestlé und Red Bull oder Frau von Karajan und Thomas Gottschalk. Das sind bei den Salzburger Festspielen die wahren Protagonisten.“
Zaimoglu und Senkel machten sich noch über eine Reihe anderer Stück her, um sie heftig zu aktualisieren, darunter übrigens auch „Lulu“. Bei den Herren Zaimoglu und Senkel arbeitet Lulu in einem Chatroom für Intersex. Es ist kein Schaden, dass dem Festspielpublikum diese Version erspart bleibt.
Thomas Thieme ist in Deutschland sehr beliebt. Er spielt dort vor allem in vielen Fernsehfilmen. Auch in Wien, wo er engagiert war, kam er gut an. Allerdings aus anderen Gründen. In Österreich verbindet man den nordsächsischen Akzent, den er aus der DDR mitgebracht hat, nicht mit Walter Ulbricht, sondern mit lustigen Operettenfiguren. Nun ist er wieder zurück in Salzburg, scheinbar versöhnt, denn er hat sogar seinen Sohn Arthur mitgebracht. Gemeinsam mit Maria Happel vom Burgtheater trat er am Freitag in einer Lesung im Landestheater auf. Der Abend, zusammengestellt von Bettina Hering, galt Frank Wedekind und Zeitgenossen. Der Begriff wurde großzügig ausgelegt, denn auch Goethe wurde die Ehre zuteil, als Zeitgenosse Wedekinds zu zählen.
Maria Happel und Thomas Thieme lasen also abwechselnd und manchmal im Duett, häufig von einem zurückhaltenden Schrumm- Schrumm untermalt, das von Thieme juniors Gitarre kam und nicht weiter störte. Maria Happel legte sich besonders ins Zeug und wollte immer wieder theatralische Akzente setzen, indem sie mehrmals ihren Haarknoten löste und den Witz aufspürte, wo immer der zu vermuten war. Bedrohlich wurde es, wenn sie den Lesetisch verließ, aufstand und rückhaltlose Attacke suggerierte. Dass sie ausgebildete Sängerin ist, konnte man hören.
Thieme war nicht sonderlich gut zu verstehen. Es hörte sich an, als wollte er seine Kräfte für was anderes schonen. Brechts Lied von der „Erinnerung an die Marie A.“ sang er aber recht passabel.
Nach einer Stunde war alles vorbei.