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Klangarchitekturen a la russe

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / NELSONS

07/08/17 Die Wiener Philharmoniker unter Arvid Nelsons mit Daniil Trifonov am Klavier: ein russisches Konzert, welches auch in die Serie „Zeit mit Schostakowitsch“ passt. Die Wiener sind hervorragende Russen, was die Musik betrifft. Die Wiener? Mittlerweile auch die Wienerinnen.

Von Gottfried Franz Kasparek

Denn da gibt es nun zum Beispiel eine Fagottistin, die wundersame Soli spielt – sei sie jetzt noch im Staatsopernorchester oder schon Mitglied im Verein der Auserwählten. In den Streichergruppen werden die Frauen sowieso immer mehr – der Zug der Zeit lässt sich nicht aufhalten. Und sogar im Schlagwerk darf eine Dame mitwirken. Insgesamt macht das Orchester einen sehr verjüngten Eindruck. Das Schöne ist, dass der spezifische, warme Klang bestehen bleibt. Wenn etwa die Bratschengruppe im langsamen Satz der siebten Symphonie von Schostakowitsch eine melancholisch aufrauschende Kantilene spielt, geht einem das Herz auf vor so viel wienerisch-slawischer Seele - und dies ganz ohne übertriebenes Vibrato.

Natürlich verlangt das gewaltige Panorama dieser „großen vaterländischen“ und in jedem Takt doppelbödigen Weltkriegs-Symphonie von 1941 mehr als Klangschönheit. Dafür sorgt Andris Nelsons mit kluger Tempodramaturgie, keiner Scheu vor brutalen Blechexplosionen in den Ecksätzen und abgrundtiefer Traurigkeit im Adagio. Dafür sorgen auch die vielen Solistinnen und Solisten an den Blasinstrumenten. Soviel Schärfe kann man, in diesem Fall eine Frau, also der lyrischen Wiener Oboe entlocken, Gestochen klar kommen auch die Flötensoli. Und die berühmt weichen Wiener Hörner können ganz schön klirrend schmettern. Das Stück ist ja, so groß besetzt und mitunter tosend laut es ist, auch ein vielschichtiges Kammermusikgebilde.

Vor der Pause stellte sich der 26jährige russische Jungstar Daniil Trifonov mit dem zweiten Klavierkonzert von Sergej Prokofjew vor. Dies ergab einen schönen Kontrast zur abgründigen Schostakowitsch-Symphonie, denn das Werk des Kollegen von anno 1913 ist voll sprühender Jugendlaune, heftiger Experimentierlust und drängender Vitalität. Alles, was diesen Komponisten auszeichnet – originelle, natürlich ebenfalls slawisch geerdete Melodik, hämmernd motorische Virtuosität und die Gabe, überraschende, kleine poetische Klanginseln zu schaffen – steckt da schon drin.

Trifonov ist über jeden technischen Zweifel erhaben – das ist beste russische Schule. Die tönende Architektur des Stücks meißelte er mit Verve heraus, nur ganz selten drohte er im Orchesterwirbel den Kürzeren zu ziehen, ging freilich nie darin unter. Besonders eindrucksvoll gelang der Spannungsbogen des ersten Satzes von einem verinnerlichten Andantino zu aufschäumender Brillanz und dann wieder zurück ins lyrisch Noble. Die langen, vom phänomenalen Pianisten Prokofjew komponierten Kadenzen waren nicht bloß pianistische Exhibitionen, sondern leidenschaftliche Exkursionen voll bohrender Intensität.

Die perfekte Klangbalance ist in diesem Konzert wohl immer schwer zu treffen. Doch Andris Nelsons war alles in allem ein fürsorglicher und sehr auf den Solisten eingehender Begleiter und das Orchester spielte auch hier seine alten und neuen Tugenden aufs Überzeugendste aus. Großer Jubel nach beiden Teilen des Konzerts.

Bild: Salzburger Festspiele/Marco Borggreve; Dario Acosta / DG

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