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Durch und durch miserable Gesellschaft

FESTSPIELE / ROSE BERND

30/09/17 Das Hamburger Schauspielhaus führt auf der Halleiner Perner-Insel „Rose Bernd“ von Gerhart Hauptmann auf. Nicht nur Freunde des Schlesischen waren bei der Premiere angetan von dem Unternehmen. Das Hamburger Schauspielhaus konnte es so einteilen, seine erste Produktion der kommenden Spielzeit vorzuverlegen und in Salzburg zu erarbeiten. Das spart Kosten und die Aufführung wird gleichsam in den Rang eines Festspiels erhoben.

Von Werner Thuswaldner

Also inszenierte die Hamburger Intendantin, Karin Henkel, auf der Halleiner Perner-Insel Gerhart Hauptmanns „Rose Bernd“. Wie souverän und einfühlsam sie mit Stoffen aus der Zeit von der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert umgehen kann, hat sie schon mehrmals bewiesen.

Es war eine Zeit, als große Dichter das Elend der jungen Frauen entdeckten, die von den Männern ausgebeutet und in die Enge getrieben werden. Henrik Ibsen und Theodor Fontane interessierten sich für schlimme Frauenschicksale und eben auch Hauptmann. Als Zeuge eines Prozesses gegen die Kindsmörderin Hedwig Otte griff er umgehend zur Feder und machte aus dem Stoff das tragische Drama „Rose Bernd“. Ähnlich verfahren ja auch heute Autorinnen, wie Elfriede Jelinek oder Kathrin Röggla, die ein aktuelles spektakuläres Geschehen eilig in einen Theatertext verwandeln.

Hauptmann schrieb einige seiner Stücke auf Schlesisch, in einer Sprache, die man im Westen nach dem Krieg durch Vertriebenenverbände kennenlernte. Für den Zuhörer im Theater ist der Dialekt keine geringe Herausforderung. Aber die Festspiele überlegen ja immer wieder, eventuell auch fremdsprachiges Theater zu programmieren.

Hauptmanns Theater sei durch und durch naturalistisch, wurde uns in der Schule gesagt. Daran hält sich die Regisseurin Karin Henkel nicht. Ihre Inszenierung zeigt einen starken Willen zur Formalisierung – etwa mit Chören von Arbeitern und kleinen Mädchen – und Volker Hintermeiers Bühne beschwört mit robuster Eisenkonstruktion keine ländliche Idylle, sondern das heraufdämmernde Industriezeitalter.

Für eine empfindsame junge Frau sind dieses Ambiente und die brutal-rohe Männergesellschaft mit ihren mühsam unterdrückten Trieben einerseits und der verlogene, rigorose religiöse Pietismus andrerseits kein Platz zum Leben. Wenn sie auch beharrlich behauptet, sie sei stark.

Anfangs erscheint Rose Bernd noch geschmückt und voller Lebensfreude, aber die wird ihr ausgetrieben. Lina Beckmann mobilisiert in der Titelrolle in der Art, wie sie den Weg der Rose in die zunehmende Ausweglosigkeit geht, jede Menge Mitgefühl. Ihr Liebhaber, der mit einer seit langem kränkelnden Frau verheiratete Christoph Flamm (Markus John), scheint es ehrlich zu meinen, erweist sich letztlich aber als schwacher Charakter, der nur seine eigene Haut retten möchte. Ein noch fieserer Typ ist der brutale, oft betrunkene Maschinist Arthur Streckmann, der Rose in seine Gewalt bringt. Gregor Bloeb, kein Urschlesier, sondern gebürtiger Tiroler, ist in dieser Rolle eine Stütze des Ensembles.

Die Verbindung mit dem armseligen Buchbinder August Keil - von der Regie drastisch als Kretin gezeichnet -, in die Rose gedrängt werden soll, ist natürlich keine Lösung.

Zum Glück gibt es eine Gegenfigur, an die man sich als Zuschauer klammern kann, um nicht mit Rose Bernd in der totalen Trostlosigkeit unterzugehen. Das ist ausgerechnet jene seit neun Jahren schwerkranke, auf das Bett angewiesene Frau, die von ihrem Mann mit Rose betrogen wird. Großartig, wie Julia Wieninger ohne Sentimentalität mit einer zutiefst empathische Haltung die Männerwelt beschämt.

Das Publikum reagierte sehr positiv und tat so, als wäre es im Schlesischen schon immer perfekt gewesen.

Aufführungen bis 9. August auf der Pernerinsel – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus

 

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