Von zwielichtigen Männern abgeholt
FESTSPIELE / DIE GEBURTSTAGSFEIER
30/01/17 Andrea Breth als Regisseurin, der Autor Harold Pinter, Zusammenarbeit mit dem Burgtheater. Mehr Absicherung gegen einen Flop geht nicht. Prompt wurde die Premiere der „Geburtstagsparty“ am Freitag im Landestheater zu einem beachtlichen Bühnenerlebnis.
Von Werner Thuswaldner
endlich einmal etwas von Harold Pinter spielen.
Das Uraufführungspublikum war seinerzeit ratlos. Die Kritik auch. Hat sich das inzwischen geändert? Ja, durchaus, ein wenig zumindest. Zuschauern, die durch hunderte Kriminalfilme in der Weise konditioniert worden sind, dass am Ende die Auflösung kommen muss, sind freilich nicht ganz zufrieden, weil Pinter damit spielt, Mutmaßungen auszulösen, die nicht prompt auf Eindeutigkeiten reduziert werden.
Andrea Breth setzt die Geschichte ohne Firlefanz um. Sie vertraut dem, was der Autor geschrieben hat. Von Anfang an greift Ungemütlichkeit, ja eine Stimmung der Angst, um sich, obwohl die Unterhaltung zwischen dem alten Ehepaar Meg und Petey sehr ähnlich klingen wie die Dialoge zwischen Mann und Frau bei Loriot. Bei Pinter wird suggeriert, dass diese Gespräche nur davon ablenken sollen, dass das Paar mit dem Schlimmsten rechnet. Das kündigt sich in Andeutungen unmissverständlich an.
Petey und Meg beherbergen in ihrer Pension einen rätselhaften jungen Mann, Stanley, der angeblich Pianist ist. Der hat sich an diesen Ort an der Küste zurückgezogen. Warum? Weil er flüchten musste? Weil er sich vor jemandem verbergen will? Für Meg ist er von existenzieller Wichtigkeit. Die im Leben zu kurz Gekommene investiert in ihn ihre ganze Fürsorge und probiert nebenbei aus, wieviel an erotischer Anziehungskraft ihr noch zur Verfügung steht. Im Unterschied zu ihr leistet sich ihr Mann keine Ausflüge ins Irrationale.
Die Situation ändert sich, als sich zwei Männer in der Pension einquartieren. Jetzt nimmt die von Beginn an spürbare Bedrohung konkretere Formen an. Sind nicht die SS-Schergen in Ledermänteln, wenn sie auftauchten, um plötzlich jemanden abzuholen, auch immer zu zweit gekommen? In Kafkas Schloss sind die Männer, die hinter dem Landvermesser K. her sind, auch zu zweit. Hier bei Pinter treten sie zunächst sehr höflich auf, gekleidet wie Vertreter des mittleren Managements, ein Jude namens Goldberg der eine, während Anspielungen den anderen, McCann, als irischen Katholiken ausweisen. Sie haben es auf Stanley abgesehen. McCann ist der fürs Grobe, während Goldberg zunächst den Überlegegen gibt.
Meg glaubt, die Katastrophe noch aufhalten zu können, indem sie den Anstoß zu einem Geburtstagsfest für Stanley gibt. Das wird eine groteske Veranstaltung, bei der Meg und Lulu, eine junge Nachbarin, über die Stränge schlagen. Stanley wird vollends in die Opferrolle gedrängt. Danach verzichten die zwei Männer auf Rücksichten und nehmen Stanley mit Verhören und Drohungen in die Zange. Sie brechen ihn und transportieren ihn schließlich ab.
Der Ablauf ist in kurze szenische Happen gegliedert, dazwischen Blackout und ein bedrohlicher, von Bert Wrede gestalteter Sound. Der Schauplatz, das Haus am Strand mit kleiner Veranda und einem wuchernden Rasenfleck davor (Bühne: Martin Zehetgruber), drückt genau die Stimmung einer verwunschenen Idylle aus.
Andrea Breth kennt keine Hast, im Gegenteil. Da und dort setzt sie die Zeitlupe ein. Das Publikum muss lernen, Geduld zu üben und Gefühle auszuhalten.
Das Ensemble lässt keine Wünsche offen. Den stärksten Eindruck macht Nina Petri als Meg, die sie – vor allem auch stimmlich – als zutiefst tragische Figur zeichnet. Neben ihr spielt Pierre Siegerthaler den Mann Petey, der seine Ansprüche ans Leben auf ein Minimum heruntergeschraubt hat. Max Simonischek ist Stanley, das Opfer. Desillusioniert schaut der auf sein Leben zurück, viel Hoffnung in die Zukunft gibt es nicht. Zunächst behauptet er sich gut, mit seiner Größe, seiner Erscheinung. Am Schluss ist er eine gebrochene, von seinen Peinigern zugrunde gerichtete Kreatur.
Andrea Wenzl ist das ziemlich blauäugige Nachbarmädchen Lulu, das sich bereitwillig auf fragwürdige Abenteuer einlässt.
Ergiebige Rolle sind jene der beiden Herren. Roland Koch gibt den scheinbar souveränen Goldberg, der sich als ein in eigenen Nöten verstrickter Schwächling entpuppt. Oliver Stokowski darf als McCann proletenhaftere Züge zeigen, kann sich als Widerling profilieren und schwäbischen Dialekteinschlag hören lassen.
Ob es dringend nötig ist, dieses Stück zu spielen, bleibe dahingestellt. Die Art, wie es geschieht, ist mehr als ehrenwert.