Die Kraft der Träume und jene der Bürger am Display
FESTSPIELE / ERÖFFNUNGSFESTAKT
27/07/17 „Wenn wir uns von unseren Träumen leiten lassen, wird der Erfolg all unsere Erwartungen übertreffen.“ Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler zitierte in ihrer Begrüßungsrede zum Eröffnungs-Festakt heute Donnerstag (27.7.) in der Felsenreitschule Henry David Thoreau. Die Festspiele verdankten ihre Existenz dem Träumer Max Reinhardt und dessen unerschütterlichem Glauben an die Kraft des Theaters.
Genau vor hundert Jahren, im April 1917, formulierte Reinhardt seine Idee von einem „Festspielhaus in Salzburg als eines der ersten Friedensprojekte“ und schickte sein Ansuchen an den Kaiser. Am 1. August 1917 trafen einander Wiener und Salzburger Befürworter der Festspielidee im Musikvereinsgebäude in Wien zur Gründung des Vereins „Salzburger Festspielhausgemeinde“. Drei Jahre später, am 22. August 1920, fand mit dem Jedermann auf dem Domplatz die erste Aufführung statt. „Die Festspielidee war trotz vieler Rückschläge nicht mehr aus der Welt zu schaffen“, so Rabl-Stadler.
Landeshauptmann Wilfried Haslauer stellte ein „Plädoyer für die Schönheit“ ins Zentrum seiner Rede. Trotz Krieg, Armut, Hunger, Vertreibung, Flucht und Elend in der Welt könne man zu Recht über Schönheit reden. „Die Schönheit macht uns aus. Sie stiftet Sinn, sie wurzelt tief in uns und will sich äußern. Sie ist die pure Lust, wenn wir sie zulassen oder aufnehmen. Sie bewusst zu erkennen, ihr Stellenwert im Leben zu geben, sie zu sehen und wahrzunehmen, macht uns menschlich und erhebt uns über andere Lebewesen, macht uns aber gleichzeitig auch verletzlich und angreifbar.“
Die Gesellschaft aber habe die Schönheit kommerzialisiert. Durch die penetrante Dauerberieselung, durch permanente Reizüberflutung und Schönheits-Zwangsbeglückung verkomme die Schönheit zur Trivialität, so Haslauer weiter. „Wir müssen die Schönheit wieder bewusst suchen.“
Kulturminister Thomas Drozda gab sich überzeugt davon, dass eine längst eine „vierte industrielle Revolution, die Digitalisierung, ihre Schatten in die Gegenwart voraus“ werfe. Die Macht zwischen Mensch und Maschine verschiebt sich zunehmend Richtung Letztgenannter“, stellte Bundesminister Thomas Drozda fest. "Am Weg dahin gilt es jedoch, zu überlegen, wie wir den Menschen im digitalen Zeitalter stärken. Ein Leuchtturm, ein Wegweiser dabei wird die Kunst sein. Die analogen Welten des Theaters, der Oper, des Konzertes und der Ausstellungen sind Orte der Herzensbildung."
Kunst könne erfreuen, begeistern, berühren und beschämen. Vor allem aber könne und werde sie zum Nachdenken anregen, so Drozda, für den Spitzenkunst nur mit einer breiten künstlerischen Basis möglich scheint. „Kunst ist daher eine Schlüsseldisziplin des digitalen Zeitalters. Sie verbindet die Vergangenheit mit der Zukunft und nimmt das Verhältnis von Mensch und Technologie kritisch in den Blick. Ich bin davon überzeugt, dass Kunst- und Kulturschaffende einen wesentlichen Beitrag zu den gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit liefern können", sagte der Minister.
Festspielredner Ferdinand von Schirach (im Bild mit dem deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck) setzte sich kritisch mit Demokratie, Macht und politischer Ethik auseinander: „Die Bürger sind nicht mehr nur Empfänger von Nachrichten, sie wurden zu sehr mächtigen Sendern. Nie zuvor haben Menschen so mühelos ihre Stimme erheben können, nie zuvor wurden sie so deutlich gehört. Die Bürger glauben, sie könnten es besser als ihre gewählten Politiker“, argwöhnte der Festspielredner. „Wann soll eine Sachentscheidung über eine Mehrheitsentscheidung gestellt werden? Wann muss sie es? Oder zählt Ethik nichts gegen den Bürgerwillen?“
Kein Mensch, auch nicht der Wähler, sei im Besitz der Wahrheit, warnte Ferdinand von Schirach. „Unsere Zukunft ist niemals alternativlos – im Gegenteil, sie ist offen." Tyrannei entstehe, so der Jurist und Autor, durch die Aufhebung der Gewaltenteilung. Er forderte: „Gerade in diesen aufgeregten Zeiten müssen wir also das Recht gegen die Macht stellen.“
Das Recht sei das nötige Korrektiv gegen den – unberechenbaren – Volkszorn.
Die Eröffnungsrede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen enthielt einen Aufruf zu mehr Mitgefühl und Solidarität: Es bestehe die Gefahr, dass wir uns „in eine Art digitales Biedermeier“ bewegen. Die neuen Facebook-Freunde ersetzen dann den alten Biedermeier-Salon. Der Einzelne richte sich in seiner Echokammer ein, und das jeweils Andere erreiche ihn dort nur mehr als fernes Bild, das man genauso gut ignorieren könne. „Ich glaube schon, dass es sich lohnt, auch ab und zu den Blick vom Display zu heben und aufrecht um sich und in die unmittelbare Umwelt zu blicken“, so das Staatsoberhaupt.
„Dabei kann man sich durchaus an der Haltung Voltaires orientieren. Denn Voltaire hätte das Unrecht still hinnehmen und sich zurückziehen können. Hat er aber nicht! Und daran erinnert sich die Nachwelt mit Respekt und Dankbarkeit“, so Van der Bellen. (Landeskorrespondenz)
Bilder: LMZ / Neumayr / MMV