Bestgefügtes von der Dombaustelle
FESTSPIELE / MOZART-MATINEE
24/07/17 Malen wir uns die Uraufführung von Bruckners e-Moll-Messe 1869 im Linzer Dom aus: Es ging um die Weihe der Marienkapelle. Der Dom insgesamt war noch Großbaustelle. Neue (wenn auch neo-gotische) Monumentalarchitektur – und neue Töne...
Von Reinhard Kriechbaum
Also keineswegs Musik im Duktus irgendwelcher romantischer, gar caecilianischer Vorstellungen. Bruckner wusste, dass er dem gebauten Neuen eben solches in Form und Klang entgegenhalten musste. Und genau das, die außergewöhnlichen gestalterischen und harmonischen Lösungen, hat Mirga Gražinytė-Tyla am Sonntag (23.6.) im Mozarteum deutlich gemacht. Keine Spur von mulmigem Vibrato, aber auch eine eher herbe Sicht aufs Melodische: Der Estnische Philharmonische Kammerchor hat in den A-capella-Episoden jenes bestimmende Metall in den Stimmen, das die Harmonien kompakt hält und wirklich eine gute Verzahnung mit Holz- und Blechbläsern zulässt. Echte Dialoge zwischen Vokalisten und Mozarteumorchester waren da möglich, gediegene Vokal/Bläser-Balance wie selbstverständlich. Keine Drücker, keine Verbreiterungen: Mirga Gražinytė-Tyla ließ da tönende Architektur umsetzen. Bruckner würde sich vielleicht sogar gewundert haben, was für eine „moderne“, irgendwie experimentelle Musik er da geschrieben hat...
Die e-Moll-Messe wird immer wieder aufgeführt, wogegen Schuberts Stabat mater f-Moll D 383 ein absolutes Rarissimum ist. Eine eigentümliche Komposition, nicht auf dem katholischen Text fußend, sondern auf einer protestantischen Ausdeutung von Klopstock. Was mag den 19jährigen Schubert, von seiner musikalischen Ausbildung her rein katholisch in die Wolle gefärbten Schubert bewogen haben, das zu vertonen? Mag sein,dass ihn die Stimmungsgegensätze angesprochen haben, denn in protestantischem Geist ist da hinter jedem Blutstropfen, den Jesus vergießt, ein Engels- und Menschenjubel ob des Erlösungswerks ausgesprochen. Die „Zauberflöte“ muss für Schubert in der Luft gelegen sein, und in der Abfolge von Arien und Chören bietet diese Rarität einiges an Abwechslung. Auch an Wechselbädern: Banalste Hornquinten stehen neben handwerklich beachtlicher Polyphonie. Christiane Karg (Sopran), Martin Mitterrutzner (Tenor) und Michael Nagy (Bass) ließen sich merklich mit Lust ein aufs Lied- und Opernhafte, das da gleichermaßen bereit steht. Dieses „Stabat mater“ ist eigentlich ein Plädoyer für den Musikdramatiker Schubert. Lohnende Dinge für die Querflöten und Oboen vor allem. Es ist nicht die große Herausforderung, aber Mirga Gražinytė-Tyla hat das alles animierend vorgezeichnet. Nach dem Schubert'schen „Amen“ dass „Ave verum“: Mozart muss sein.