asdf
 

In die Enge getrieben

HINTERGRUND / FESTSPIELE / ROSE BERND

18/07/17 „Rose Bernd“: das erste Stück von Gerhart Hauptmann bei den Salzburger Festspielen, auf der Pernerinsel. Eigentlich wäre zu dessen 70. Geburtstag im Jahre 1932 eine einwöchige Hommage an den großen deutschen Dramatiker geplant gewesen. Aber aus vielerlei Gründen, unter anderem weil Max Reinhardt die Uraufführung von dessen jüngsten Stück „Vor Sonnuntergang“ in Berlin herausbringen wollte, platzte damals das Projekt.

Von Anne Zeuner

Bereits das Lesen des Stückes habe ihr wehgetan, sagt Karin Henkel auf die Frage, warum sie „Rose Bernd“ inszenieren wolle. „Ich habe viel nachgedacht über diese Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der Menschen zu Bestien werden, in der sie nur darum kämpfen, ihre eigene Haut zu retten, ohne an die Mitmenschen zu denken“, sagt die Regisseurin. Das habe sie so verunsichert und zum Nachdenken angeregt, dass sie die Geschichte unbedingt erzählen wollte. Auch die Sprache fasziniere sie, der schlesische Dialekt, in dem das Stück geschrieben ist. Diesen Dialekt behandle ihn wie eine Kunstsprache. „Die Sprache ist so roh, theatral und archaisch – und die Sprache ändert sich, je nachdem, mit wem Rose Bernd gerade spricht“, erklärt Karin Henkel. Gerade die Rohheit der Sprache mache die Emotionalität der Figuren aus, mache die Figuren so lebendig. Für die Zuschauer stelle sich der ganze Plot dar wie ein Krimi. „Man hechelt ständig hinterher und lauert auf die nächste Szene, man denkt mit“, sagt die Regisseurin.

Wie fühlt es sich für einen Tiroler an, Schlesisch zu sprechen? Gregor Bloéb, der den Arthur Streckmann spielt, antwortet lachend, dass er bereits am Wort „schlesisch“ gescheitert sei. „Es ist wie eine Kunstsprache zu behandeln und ich muss es silbenweise wie eine Fremdsprache lernen“, sagt er. „Aber die lange Probenzeit hilft uns natürlich.“

Der Geschichte liegt eine wahre Begebenheit zugrunde. Gerhart Hauptmann war als Geschworener tätig und hatte über das Schicksal einer 25jährigen Kindsmörderin zu entscheiden. Er war von ihrem Schicksal so berührt, dass er – wie die Mehrheit der Geschworenen – für einen Freispruch stimmte.

Diese Frau, die ihr unehelich gezeugtes Kind ermordert, damit es nicht die gleichen Qualen wie sie durchstehen solle, heißt im Stück Rose Bernd. Hauptwidersacher ist der eitle Maschinist Arthur Streckmann, der ein Auge auf Rose geworfen und ihre missliche Lage durchschaut hat. Gregor Bloéb beschreibt das Profil dieser Figur: „Streckmann ist nicht nur ein einfach gestrickter Triebtäter, er ist ein Verletzter. Er ist sehr vernarrt in Rose Bernd, hat sie aber nie bekommen können, hat immer nur auf Granit gebissen.“ Diesen Hass auf die Bühne zu bringen, das sei eine schöne schauspielerische Herausforderung.

Was treibt Rose Bernd letztlich dazu ihr Kind umzubringen? Sind es die äußeren Umstände, an denen sie zerbricht? Schauspielerin Lina Beckmann, die die Rose Bernd spielt, empfindet es ganz klar so. Schon zu Beginn des Stückes komme Rose Bernd in eine Notsituation, die immer auswegloser werde. „Ich spüre beim Spielen, dass die Luft immer dünner wird“, sagt sie. Sie fühle sich in die Enge getrieben. Nach und nach schließt sich jede Tür und es bleibt kein anderer Ausweg mehr, als das eigene Kind zu töten.

Auf der Perner-Insel zu spielen, gefalle ihr sehr gut, sagt Lina Beckmann, die bei den Festspielen 2011 und 2012 in der Rolle der Guten Werke im Jedermann zu sehen war. „Damals war alles ziemlich trubelig“, sagt sie. Auf der Perner-Insel könne man konzentrierter arbeiten. Auch Regisseurin Karin Henkel ist begeistert von dem Spielort. „Es ist dort vor allem ein wunderbares Miteinander möglich“, sagt sie. „Die Wege sind kurz und man kann intensiver und konzentrierter arbeiten, auch mit den Gewerken.“ Dieser sehr nüchterne, kühle Raum der Perner-Insel komme ihrer Inszenierung sehr entgegen, sagt sie Regisseurin. Das brutale Bühnenbild passe besonders gut dorthin.

Ihre Inszenierung bringe keinen Naturalismus auf die Bühne, sagt Karin Henkel. Hauptmann selbst habe es ja eher als Beleidigung aufgefasst, wenn er als Naturalist bezeichnet wurde. „Ich finde er hat 'Rose Bernd' sehr symbolisch und überhaupt nicht kleinteilig geschrieben“, sagt die Regisseurin. Er habe eher in großen Entwürfen und großen Gedanken geschrieben. So sei etwa das Haus der Familie Flamm schon in Einzelheiten beschrieben, es hängen etwa tote Tiere an der Wand, neben dem Bild eines verstorbenen Kindes. „Die Aussage ist sehr symbolisch und sehr klar. Es geht um den Tod.“ Sie werde viel mit Zeichen auf der Bühne umgehen, aber nicht mit den konkreten Räumlichkeiten an sich. Und auch für die Darstellung der Gesellschaft hat sich die Regisseurin einen besonderen Kniff einfallen lassen. In einer Szene etwa treten verschiedene kleine Rollen auf, die Arbeiter darstellen. Henkel fasst diese kleinen Rollen zusammen in einem Männer-Chor und lässt ihn im Dialekt zusammensprechen. „Dadurch bekommen diese Männer eine ganz andere Kraft“, sagt Karin Henkel. „Sie haben außerdem den stärksten Dialekt von allen.“

Premiere am 29. Juli um 19.30 Uhr auf der Perner-Insel, weitere Termine: 31. Juli, 1., 4., 5., 6., 8., 9. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Anne Zeuner (1); Monika Rittershaus (1)

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014