Ein „schicksalhaftes Hineinschmeißen“
INTERVIEW / DIE JEDERMANN-CREW
30/06/17 „Da unten sitzen wirklich Tausende von Menschen, die aus aller Welt, weit über Land und Meer hergekommen sind und Jahr für Jahr herkommen, um dieses alte Spiel (Jedermann) zu sehen.“ Das war schon 1935 so. Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler hat Max Reinhardt zitiert.
Von Anne Zeuner
„Da unten“, auf dem Domplatz, steht seit einer Woche auch schon wieder das Gerüst. Nicht nur das Podest, auf dem gespielt wird, und die ansteigenden Publikums-Sitzreihen. Eben auch ein hochragendes Gestänge, dessen Form die Bögen von der Fassade aufgreift.
Nein, auf dem Domplatz ist er heuer noch nicht gewesen, verriet Jedermann-Darsteller Tobias Moretti in einem Pressegespräch gestern Freitag (29.6.) nachmittags. Das hebe er sich für einen ganz besonderen, einen intimen Moment auf. „Ich möchte allein sein mit dem Domplatz – vielleicht gehe ich in der Nacht hin“, sagt der Schauspieler.
Befruchtend, gut und von Neugier beseelt – so beschreibt Tobias Moretti die bisherigen drei Probenwochen für die Neuinszenierung des Jedermann. Im kleinen Rahmen – sprich auf der Probebühne – funktioniere das, was da im Vorhinein „herumgekopft“ wurde bereits sehr gut, sagt der Schauspieler. Nun sei er gespannt, ob das, was in diesem intimen Rahmen zwischen den Figuren geschaffen werden konnte, sich auch am Domplatz umsetzen lasse und vielleicht sogar potenziert werde.
Ob er ein Motto für die Proben benennen könne, möchte Schauspielleiterin Bettina Hering wissen, die die Moderation der Pressekonferenz übernimmt. „Nackt und bloß“, antwortet Regisseur Michael Sturminger, er empfinde dieses großartige Ensemble als Geschenk. Alleine Edith Clever in der Rolle der Mutter des Jedermann zu erleben, das sei den Besuch des Stückes wert. „Ich bin sehr guten Mutes, dass uns der Sprung auf den Domplatz gelingen wird“, sagt Michael Sturminger. „Der Dom, das ist ein großartiges Ungeheuer für mich. Die Fassade ist Architektur gewordene Rhetorik und für mich eine faszinierende Vorgabe“, sagt der Regisseur. Der Domplatz sei für ihn übersetzte Macht, Schönheit und Transzendenz: „Alles Themen, die im Jedermann zentral sind.“
Wenn er vor dem Domplatz stehe und nach oben schaue, werde ihm schon ein wenig schwindelig. Wie winzig klein die Menschen vor dieser Kulisse wirken. Umso faszinierender finde er es, dass im Zentrum des Stückes ein einziger Mann stehe, der sein Schicksal im Spiegel dieser unglaublichen Größe vertreten muss.
Wie das Kleid der Buhlschaft aussehen wird? Das wollen Journalisten von der Rollendebütantin Stefanie Reinsperger natürlich wissen. Die Antwort der Schauspielerin ist ein bezauberndes Lächeln und Schweigen. Natürlich dürfe sie noch nichts verraten, nur so viel: „Ich finde es ganz toll“, sagt sie. Die Buhlschaft sei mehr als nur die Tradition des Klischees der bürgerlichen Vorstellung von Sinnlichkeit, da sind sich Tobias Moretti und Stefanie Reinsperger einig. „Ich verstehe manchmal gar nicht, wo dieses Denken her kommt. Da ist so viel zwischen den beiden – sonst würde er sie nicht ernsthaft fragen, ob sie mit ihm in den Tod kommt. Gerade das Spiel zwischen ihr als Freigeist, die nicht abhängig ist von einem Mann, aber auch die Gemeinsamkeiten – das macht für mich den Reiz, die Erotik und die Anziehungskraft aus“, sagt Stefanie Reinsperger. Sie schaue bei der Arbeit mit Freude und Hoffnung auf ihre Kollegen. „Wir haben so ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut, dass man besonders befreit auf die Suche gehen kann“, sagt die Schauspielerin.
Die Zuschauer dürfen sich auf eine zeitgenössische Inszenierung freuen, verrät Regisseur Michael Sturminger. Und es werde einen Vorhang geben. Einen solchen hat noch kein Regisseur vor ihm auf dem Domplatz zum Einsatz gebracht. Der „Jedermann“ dieses Sommers ist in denkbar großer Eile entstanden: Erst im April wurde bekannt, dass es eine Neuinszenierung geben und Sturminger die Regie übernehmen werde. Er selbst empfinde das als „große Freiheit und Chance“, so der Film- und Theaterregisseur.
Auch Tobias Moretti ergänzt: „Es war wichtig, dass ein Schnitt gemacht wurde. Man konnte sich mit den beiden Regisseuren Julian Crouch und Brian Mertes nicht auf eine Neuinterpretation einigen, was aber bereits lange vorher als Bedingung festgelegt worden war. Gerade erst habe ich einen Brief von Julian Crouch bekommen, dass er sich auf die neue Inszenierung freue.“ Man sei mit dieser Lösung mit Michael Sturminger nicht nur irgendwie aus dieser Situation herausgekommen, fährt er weiter fort, man habe durch dieses „schicksalhafte Hineinschmeißen sogar eine Situation kreieren können, die alle glücklich macht“.
Und nun bleibt noch zu erklären, was es mit dem Gestänge vor dem Dom für eine Bewandtnis hat. Die drei filigran wirkenden Bögen sehen aus, wie eine Graphik. Es könnte einem dazu eine Art Vorzeichnung einfallen, jene Linien, die auf Aquarellen und Bildern gelegentlich durchscheinen. Mal schauen, was das Licht draus macht – sei es jenes der untergehenden Sonne oder jenes aus den Scheinwerfern.