Macht und Ohnmacht der Mächtigen
SALZBURGER FESTSPIELE 2017 / DIE OPER
10/11/16 Elf Opern stehen auf dem Programm der ersten von Markus Hinterhäuser als Intendant verantworteten Salzburger Festspiele: fünf szenische Neu-Produktionen, die Wiederaufnahme von Pfingsten, drei halbszenisch aufgeführte Opern von Monteverdi und zwei konzertante „Sängerfeste“.
Von Heidemarie Klabacher
„Eine Salzburger Dramaturgie können wir nur aus der Perspektive des Jetzt und Heute herstellen, wenn wir eine Erzählung vorbringen, die im Wesentlichen mitbehandelt, was gute Kunstwerke möglich machen – helfen, die Welt zu erkennen“, sagte Intendant Markus Hinterhäuser heute Donnerstag (10.11.) bei der Programmpräsentation. „Und die Welt ist derzeit nicht sehr komfortabel.“
Und auch in der Oper geht es selten komfortabel zu. Davon werden die Opernproduktionen der Salzburger Festspiele 2017 erzählen. Machtgewinn. Machtmissbrauch. Machtverlust. „Strategien der Macht“ verbinden thematisch die fünf szenischen Opernproduktionen. „Einsamkeit der Macht“ und „Irrewerden“ an der Macht: Dieser Bogen spanne sich, so Intendant Markus Hinterhäuser, zwischen Mozarts „Tito“ und Aribert Reimans „Lear“, die beide in der Felsenreitschule aufgeführt werden.
Wolfgang Amadeus Mozarts Opera seria „La clemenza di Tito“ wird inszeniert von Peter Sellars. „Ich bin überzeugt, dass er der richtige Regisseur dafür ist. Und ich persönlich verdanke ihm eines der größten Erlebnisse meines Lebens: 1998 die Begegnung mit Olivier Messiaens Oper ‚Saint Francois D´Assise’“, sagte Markus Hinterhäuser. Mit Saint Francois habe Sellars Festspielgeschichte geschrieben und „mein Leben verändert“, als er, Hinterhäuser, erste künstlerische Schritte auf Festspielgrund getan habe. Es sei glücklich, nun als Intendant, „diese Dinge wieder zu beleben und den Regisseur nach Salzburg einladen zu können“. Peter Sellars sei geeignet wie kein zweiter, mit seiner Deutung von Mozarts Oper Antworten geben auf Fragen wie etwa: „Wie können wir in einer Zeit des Konfliktes zusammenleben?“ oder „Wie ist es möglich, in einer Zeit, die voller Zorn ist, eine heilende Geste anzubieten?“ Teodor Currentzis wird „La clemenza di Tito“ in der Felsenreitschule dirigieren, er bringt das von ihm in Russland gegründete Orchester musicAeterna und den musicAeterna Choir mit.
„Wenn sich Politik und Macht mit Privatem vermischen, kann es unheilvoll werden.“ Davon erzählen die beiden Opern im Großen Festspielhaus: Giuseppe Verdis „Aida“ und Dmitri Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“. Es sei schwer, so Hinterhäuser, für „Aida“ eine Form zu finden, mit der man die Oper heute erzählen kann, denn sie sie weit mehr, als eine „Kreuzworträtsel-Oper mit vier Buchstaben“. „Aida ist, bis auf zwei gewaltige Szenen, eine fragile Kammeroper. Es geht nicht um Elefanten und Pyramiden.“ Darüber sei er sich mit Riccardo Muti sofort einig gewesen. Und auch über die Regie habe man sich schnell verständigt, nachdem er dem Dirigenten Werkkataloge der iranischen Filmemacherin, Fotografin und Videokünstlerin Shirin Neshat gezeigt habe. Gesungen wird auch - die Titelrolle etwa von Anna Netrebko.
Mariss Jansons ebenfalls am Pult der Wiener Philharmoniker und im Großen Festspielhaus wird Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ leiten. Regie führt Andreas Kriegenburg. Alban Bergs Oper „Wozzeck“ wird im Haus für Mozart in der Leitung des russischen Dirigenten Vladimir Jurowski gespielt. Den Wozzeck singt Matthias Goerne. Regie führt der - wie Markus Hinterhäuser ihn bezeichnet - „Universalkünstler“ William Kentridge.
Georg Friedrich Händels Oper „Ariodante“ kommt als Wiederaufnahme von den Pfingstfestspielen ebenfalls zurück ins Haus für Mozart. Aribert Reimans „Lear“ in der Regie von Simon Stone schließt die Auseinandersetzung mit den Strategien der Macht in der Felsenreitschule mit Franz Welser-Möst am Pult der Wiener Philharmoniker. Die 1978 in München uraufgeführte Oper basiert auf dem Shakespear’schen Stück King Lear und zählt zu den wichtigsten Opern des 20. Jahrhunderts.
Mit drei halbszenischen Aufführungen feiern die Salzburger Festspiele den 450. Geburtstag von Claudio Monteverdi. Sir John Eliot Gardiner, einer der großen Barock-Spezialisten unserer Zeit, bringt gemeinsam mit der Regisseurin Elsa Rooke Regie alle drei erhaltenen Monteverdi-Opern in einem Zyklus in der Felsenreitschule zur halbszenischen Aufführung. Er musiziert mit den von ihm gegründeten English Baroque Soloists und dem Monteverdi Choir. „Schöner kann man es nicht haben, mit Monteverdi.“
Die konzertanten Aufführungen, beide mit dem Mozarteumorchester, sind schon seit Jahren Programm-Highlights. Auch der neue Intendant, der mit seinem Team nicht an den bewährten Programmstrukturen gerüttelt hat, programmierte zwei konzertante Aufführungen, die dem Publikum wirklich Freude machen sollen. „Das darf auch sein“, sagte Markus Hinterhäuser. „. Das werden wahre Sängerfeste.“ In Giuseppe Verdis „I due foscari“ singt Plácido Domingo den Francesco Foscari, an seiner Seite Maria Agresta als Lucrezia Contarini, Joseph Calleja als Jacopo Foscari u.a. Michele Mariottiist der Dirigent. Marco Armiliato leitet Gaetano Donizettis Lucrezia Borgia, mit Ildar Abdrazakov als Don Alfonso, Krassimira Stoyanova als Donna Lucrezia Borgia und Juan Diego Flórez als Gennaro.
Und Uraufführungen? Ein Opernauftrag sei zwar nicht nur ein Ritterschlag für den der den Auftrag bekommen, sondern immer auch auch für den, der ihn vergibt. Ihm persönlich sei die Frage nach Uraufführungen dennoch „weniger dringlich, als man meinen möchte“. „Welche Musik sollen wir hören? Welche dürfen wir nicht verpassen... Es gibt so viel scheinbar Bekanntes neu zu hören...“ (Wird fortgesetzt)