Ein Stück mit nicht schwindender Energie
INTERVIEW / STEFANIE REINSPERGER
03/11/16 „Diese Figur kommt, ist da und verschwindet wieder“, sagt Stefanie Reinsperger über die Buhlschaft, mit der sie im Sommer 2016 bei den Festspielen debütieren wird. Wo die Reise hingeht, werde sich erst im Lauf der Probenarbeit zeigen, sagt sie im Interview.
Wie fühlt man sich, wenn man den Anruf bekommt, dass man die Buhlschaft bei den Salzburger Festspielen sein soll?
Ich habe tatsächlich sehr, sehr weiche Knie bekommen.
In Theaterkreisen heißt es, die Buhlschaft sei die größte kleinste Rolle – sie besteht nur aus dreißig Sätzen. Was macht den Reiz dieser Figur für Sie aus?
Ich würde mir für viele andere Stücke wünschen, dass kleine Rollen so viel Beachtung bekommen wie diese. Aber das wird wohl immer auch das Geheimnis dieser Buhlschaft sein und mich diesem anzunähern, das zu ertasten, darauf freue ich mich und das finde ich reizvoll. Diese Figur kommt, ist da und verschwindet wieder. Du hast nur kurz Zeit diesen Charakter zu etablieren, die Nuancen und Facetten zum Leben zu erwecken, aber diese Herausforderung nehme ich gerne an.
Oft wird die Buhlschaft hauptsächlich mit Sinnlichkeit, Verführung und Erotik assoziiert… Was interpretieren Sie in diese Rolle?
Vor Probenbeginn finde ich es sehr schwierig schon über eine Vorstellung und oder Interpretation der Rolle zu sprechen. Da entsteht ja auch sehr viel aus dem Zusammenspiel vor allem mit dem Jedermann. Ich will mich da vorher noch gar nicht auf ein Bild beschränken, welches ich denke von der Figur zu haben. Ich freue mich darauf in den Proben ganz viel herauszufinden und mich überraschen zu lassen.
Wenn Sie sich die bisherigen Buhlschaften anschauen, gibt es da eine, die Sie besonders mögen, oder die Sie inspiriert?
Diese Rolle wurde von so vielen, wunderbaren Schauspielerinnen gespielt! Ich will mich aber so frei wie irgend möglich auf diese Aufgabe einlassen. Meinen Ansatz finden, ich kann und will diese Rolle nicht angelehnt an ein Vorbild spielen, das hätte ja mit mir dann nur sehr wenig zu tun.
Haben Sie die beiden Regisseure Julian Crouch und Brian Mertes schon kennengelernt? Was gefällt Ihnen an dieser Jedermann-Inszenierung besonders?
Ich habe Brian Mertes in Salzburg getroffen, um über die Inszenierung zu sprechen und es war ein sehr offenes, konstruktives, kreatives Gespräch. Es war sofort zu spüren, dass man eine gemeinsame Sprache hat und einen ähnlichen Humor. Ich mag an der aktuellen Inszenierung die schön schräge Bildpoesie, die einen verzaubert und trotzdem nachdenklich stimmt. Und vor allem, dass es als gemeinsame Geschichte aller erzählt wird. Durch den Beginn, wo klar eingeladen wird Teil von diesem Abend zu sein, alle Spielerinnen und Spieler auf der Bühne beginnen zusammen die Geschichte und jeder trägt seinen Teil dazu bei. Ich mochte die Gesamtenergie sehr.
Ist es schwierig in eine fertige Inszenierung hineinzukommen?
Das kann ich noch nicht sagen, ich war bisher noch nicht in einer solchen Situation. Ich sehe allerdings meine Aufgabe nicht darin Schritte abzugehen, die vor mir gegangen wurden, sondern mich auf die neuen Partner einzulassen und gemeinsam die Inszenierung wachsen zu lassen. Es ist ja ein neues, anderes Ensemble, andere Menschen, dadurch werden Veränderungen passieren und darauf freue ich mich.
Was denken Sie warum der Jedermann über 90 Jahre hinweg so erfolgreich aufgeführt wird? Ist es ein zeitgemäßes Stück?
Als der „Jedermann“ in Salzburg bei den Festspielen aufgeführt wurde, meinte Max Reinhardt anscheinend: Das ist der Raum. Hier vor dem großartigen Dom – und nur hier soll das Jedermann-Spiel vor sich gehen. Das war wohl eine Art nach Hause kommen, ein Ankommen für dieses Stück. Und ich glaube diese Energie umgibt den „Jedermann“ in Salzburg immer noch.
Als ich das Stück zum ersten Mal gelesen habe, mit dem Wissen, dass es oft als „unzeitgemäß“ und „überholt“ beschrieben wurde, ging es mir ehrlich gesagt nicht so. Ich finde, der „Jedermann“ ist wie eine Art Märchen für Erwachsene, eine Parabel, eine Allegorie. Es behandelt die grundsätzlichen Themen wie Leben, Tod und Rechenschaft ablegen. Das sind Themen, die zumindest mich auch immer wieder beschäftigen und deshalb für mich auch im hier, jetzt und heute verankert sind. Und natürlich diese traumhafte Kulisse, die Einbettung in die Salzburger Festspiele, das alles ist ein Zusammenspiel von großer Tradition.
Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
Die große Freiheit gepaart mit Verantwortung, die wir als Schauspieler, Künstler tragen und mit der wir umgehend dürfen. Ich lerne so viel über mich, über andere. Sich ständig zu hinterfragen, an sich zu arbeiten, sich zu überraschen und überraschen zu lassen.
Probenprozesse sind für mich ein unglaubliches Geschenk, jedes Mal mit anderen Menschen, oder sich schon bekannten Kollegeninnen/Kollegen, Regisseuren/Regisseurinnen auf eine Reise zu begeben, sich über Wochen mit Themen zu beschäftigen, einen gemeinsamen Atem zu finden, um dann Zuschauerinnen und Zuschauern jeden Abend etwas mitzugeben – das ist ein wundervoller Beruf und ich bin sehr froh ihn auszuüben. (PSF)