Das Feinste zwischen Verdi und Walzerkönig
FESTSPIELE / IL TEMPLARIO
28/08/16 Ein Sängersturm, beantwortet mit dem ihm gebührenden Beifallsorkan. Man muss nicht lang erklären, was alles echt gut ist in Otto Nicolais Oper „Il templario“. Eher schon: Warum hat die Geschichte ein gar so hartes Urteil gesprochen über das Werk, mit dessen Uraufführung 1840 Nicolai in Turin, quasi in der Höhle des Italianitá-Löwen, einen beispiellosen Erfolg landen konnte?
Von Reinhard Kriechbaum
Warum ist das Werk ihres Gründers nicht mal den Wiener Philharmonikern ein Herzensanliegen? Dies könnte sich nach der konzertanten Wiedererweckung bei den Salzburger Festspielen ja ändern. Unter der animierend-befeuernden Leitung von Andrés Orozco-Estrada hat das Orchester allergrößte Aufmerksamkeit investiert in die Rarität. Aufführungsbeginn 15 Uhr, bei 32 Grad draußen: Aller dispositioneller Widerwärtigkeit zum Trotz haben die Philharmoniker das beste an Flexibilität und Tonschönheit gegeben, die nötige Power und auch die rechte „Walzerseligkeit“. Denn so ur-italienisch diese Oper daherkommt, verleugnet sie nicht das Wienerische: Sobald sich die Protagonisten nicht die Köpfe einschlagen, beim kleinsten Anflug von Optimismus im (eigenartigen) Libretto also, bricht in dieser Partitur quasi das Neujahrskonzert aus. Man kann aus den Noten unmittelbar herauslesen, dass man damals als Musiker à la Otto Nicolai (1810-1849) entweder Staatsoperndirektor, Philharmoniker, Walzerkönig oder ziemlich guter Militärkapellmeister geworden ist.
1840: Da steht der junge Verdi in den Startlöchern und hat den „Nabucco“ im Kopf. Donizettis „Regimentstochter“ wird uraufgeführt. Wagner macht soeben den „Fliegenden Holländer“ fertig – in diesem Umfeld also erblickt „Il Templario“ das kurzlebige Licht der Opernwelt. Der Komponist, der gleich drauf Hofoperndirektor in Wien und Begründer der Wiener Philharmoniker wurde, lebte zu kurz, um das Werk – provokant gesagt: allerbester früher Verdi – selbst promoten zu können.
Die Ouvertüre, ja, die ist nicht ganz so toll. Und ein bisserl frustriert schon das Finale: Es geht ja im Wesentlichen um den wackeren Vilfredo d'Ivanhoe, der als Kreuzritter verwundet und von der Jüdin Rebecca gesund gepflegt worden war. Jetzt ist sie unterwegs in England, um den Liebgewonnenen aufzustöbern und zu erobern. Die Templer freilich fangen sie, verurteilen sie zum Tod am Scheiterhaufen. Ein Gottesurteil ist fällig, Vilfredo tritt für die vermeintliche jüdische Hexe in den Ring – aus Dankbarkeit für die Krankenschwester, nicht aus Liebe zu ihr. So wird sie gerettet. Er vergießt einige Krokodilstränen in wundersamer Tenor-Bravour, aber an eine Paarwerdung zwischen Christ und Jüdin ist nicht zu denken. Ende, Schlussakkord.
Szenisch und inhaltlich hat das Werk natürlich seit anderthalb Jahrhunderten keine echte Opernchance. Aber konzertant, in dieser Festspielbesetzung! Juan Diego Flórez hat angeblich einen Narren gefressen an der Partie, die ihm schon in der Auftritts-Cavatine Gelegenheit zu Spitzentönen gibt, dass man am liebsten eine Stricherlliste aller zielstrebig erreichten hohen „C“ anlegen möchte. Sie würde lang. Interessanter ist freilich die Bariton-Rolle des Widersachers Briano. Der spitzt auf Rebecca und vergisst aus Liebe zu ihr sogar auf die Ideale der Templer-Ritter. Vom finsteren Macho bis zum lyrischen Liebhaber hält diese Rolle Belcanto in allen Abstufungen bereit, und der Italiener Luca Salsi wurde für die Gestaltung dieser Partie rechtens fast mehr bejubelt als der Tenor Flórez.
Rebecca ist die Mezzosopranistin Clémentine Margaine, eingesprungen für die Kollegin Joyce di Donato, die sich mit der Rolle so gar nicht anfreunden wollte. Die tendenziell lyrische Partie mit dramatischen Einsprengseln war bei Clémentine Margaine in besten Händen.
Viel Lohnendes drumherum, etwa eine Romanze für die Sopranistin (Kristiane Kaiser als Rovena), die von schmeichelnden Sextsprüngen bis zu Koloraturen alles bereit hält, was sich eine Sängerin nur wünschen darf. In weiteren Rollen Adrian Sâmpetrean, Armando Piña und Franz Supper – sie alle optimal eingesetzt. In den vielen ansprechenden Chornummern kann sich der Salzburger Bachchor ins rechte Licht setzen.
Wirklich gut, „Il templario“ in einer so makellosen Aufführung kennen gelernt zu haben. Am liebsten gleich nochmal anhören! Die Oper ist nie und nimmer bühnentauglich, aber zumindest die Wiener Philharmoniker sollten die Notenblätter gut aufheben und immer wieder mal hervorholen: So toll komponierte ihr Gründungsvater, der mit der Spieloper „Die lustigen Weiber von Windsor“ heutzutage ja auch nicht gerade auf der Gewinnerseite der Opernliteratur steht.