asdf
 

Trautes Heim, Glück allein

FESTSPIELE / CLEVELAND ORCHESTRA / WELSER-MÖST (1)

19/08/16 Halb im Scherz sagte Richard Strauss einmal, er könne auch ein Krügel Bier in Töne setzen. Das hat er glücklicherweise nicht gemacht. Wer weiß, die Orchestermusiker müssten die Noten womöglich in einem der legendären Papiersäcke herumtragen, in denen man Alkoholika in den USA vor den Blicken anderer verbirgt.

Von Reinhard Kriechbaum

Dafür hat Strauss das Familienglück komponiert, und das war wohl auch auch keine echte Herausforderung für ihn. Der Schaum in der „Sinfonia domestica“ steht ungefähr gleich hoch wie im Bierkrügel, wenn der Inhalt nicht gar überschwappt. 1904 ist das Stück in den USA aus der Taufe gehoben worden, fast eine tönende Antizipation jenes idealisierenden Familienbildes, das nicht nur in den Filmen aus den Disney-Studios bis heute hochgehalten wird (Walt Disney war zum Zeitpunkt der Uraufführung drei Jahre alt).

Franz Welser-Möst und das Cleveland Orchestra haben die „Sinfonia domestica“ aufs Programm des ersten ihrer beiden Salzburg-Konzerte gesetzt und das Beste, das Schönste, das letztlich Überzeugendste draus gemacht, was nur denkbar ist. Man braucht ja nicht gerade angesichts dieser Musikerzählung nachdenken über Eltern in prekären Arbeitsverhältnissen und mit zu wenig Zeit für die Kinder. Diese Komposition ist ein echtes Museumsstück und Franz Welser-Möst lässt das Cleveland Orchestra all seine „europäischen“ Klangpolitur in sicherem Arrangement vorzeigen.

Die Streicher dürfen ein ums andere Mal innig säuseln und voller Wärme aufrauschen, und in diesem Umfeld wirkt sogar die Brass-Crew des Orchesters so gar nicht amerikanisch-schneidig, sondern gefühlig eingeknüpft in das Orchestergewebe aus Samt und Halbseide – ganz so, wie es sich Strauss wohl vorgestellt hat, bis zum genau so einkomponierten g'schlamperten Durcheinand' der acht Hörner am Ende. Macht eigentlich ein anderes Werk in der Musikgeschichte der „Sinfonia domestica“ Konkurrenz hinsichtlich der Anhäufung üppigster Finalfloskeln?

Vor der Pause ging es nicht weniger üppig zu in der Musik von Thomas Adès: Sie passt gar nicht so schlecht zu Strauss, nicht nur, weil beide für so etwas wie „Postmoderne“ in der jeweiligen Ära stehen. Und auch Adès ist ein ziemlich genialer Dekorateur mit Klangfarben. Ouvertüre, Walzer und Finale aus der Oper „Powder Her Face“ (eigentlich eine Kammeroper in minimaler Besetzung) hat er 2007 für übergroßes Orchester gesetzt. Adès treibt zu gerne Scherze mit allerlei Zitatwerk oder Pseudo-Paraphrasen auf bekannte Idiome. In den Dances from „Powder Her Face“ ist der Tango dran: Eine effektvolle Einspielmusik.

Ganz anderen Stellenwert hat das Violinkonzert op. 23 mit dem Titel „Concentric Paths“. Es ist ein Virtuosenstück sondergleichen, in dem Leila Josefowicz aufs Effektvollste vorführen konnte, wie sie höchste Energie-Aufladung mit lyrischem Ton verbindet, mit den immer richtig gewichteten Vorgaben und Antworten auf einen Orchestersatz, der sich oft mächtig aufplustert, aber auch mit irisierenden Klangflächen für sich einnimmt. Im Mittelsatz legt die Sologeige mit Trompete und Posaune los, als gelte es eine Überschrift mit fetten Lettern umzusetzen. Aber Adès' Musik zeichnet sich eben durch viel Schattierung, durch überraschende Wendungen und instrumentale Gewichts-Änderungen aus. Man denke an das Flageolett-Flirren der Streicher und die leichten Holzbläserstimmen am Beginn, zu denen das Soloinstrument elektrisierende „Flächenmalerei“ beiträgt. Passagen zuhauf, in denen sich die Solistin gerieren durfte, als hätte sie das Sibelius-Violinkonzert unter den flinken Fingern. Analysten finden in dem Stück Anspielungen an Berg, Ligeti, Britten. Aber beim Final-Rondo springt einen das „Hoppe, hoppe Reiter“-Thema an. Es ist echt dankbare Moderne.

Dasselbe Programm gibt es morgen Samstag (20.8.) beim Grafenegg Festival.
Auch das Programm des zweiten Salzburger Festspielkonzerts des Cleveland Orchestra heute Freitag (19.8.) mit Bartoks Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta, Strauss' „Tod und Verklärung“ sowie den „Vier letzten Liedern“ mit Anja Harteros gibt es am Sonntag (21.8.) - mit der Sopranistin Luba Orgonášová - ebenfalls in Grafenegg  – www.grafenegg.com
Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014