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Die Papillons auch von Schubert und Jean Paul

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT ARCADI VOLODOS

18/08/16 Es kann ja gar keinen Programmhefttext geben zu Schumanns Klaviermusik, ohne dass die Dichternamen E.T.A.Hoffmann oder Jean Paul fielen. Aber: Bekommt man die Dinge dann auch wirklich so zu hören, lassen sich die literarischen Wahlverwandtschaften von Robert Schumann greifen?

Von Reinhard Kriechbaum

Keine Frage: Arcadi Volodos bringt seine Hörer ohne Umschweife auf die richtigen literarischen Fährten, er gibt die anschaulichsten, nein, nicht Inhaltsangaben, sondern Befindlichkeits-Schilderungen. Wenn Volodos am Steinway sitzt, dann kann man sich, sollte man sich sogar das Lesen ersparen. Es nehmen sich ja auch auch die aller romantischsten, gar hitzköpfigsten Betrachtungen Jean Pauls mit Verlaub etwas mühselig - aus gegenüber den pianistischen Charakterbildern, wie sie Schumann etwa in seinem frühen Zyklus „Papillons“ op. 2 nachgezeichnet hat.

1829/31, da war Schumann also um die zwanzig und wohl schon bis über beide Ohren verliebt in Clara. Die „Flegeljahre“ des Jean Paul waren ihm ungefähr so nahe wie die Notenblätter von Franz Schubert, die ihm sein Lehrer Friedrich Wieck aufs Pult legte. Da standen also die Ländler-Rhythmen auf dem Papier und im Kopf kreiste das romantische Geblüt.

Was macht Arcadi Volodos da nicht daraus! Das federt und tänzelt im Dreivierteltakt und wird doch beständig aufgebrochen im Metrum, draufgängerisch hinausgeschleudert und gleich drauf nachdenklich zurück gehalten. Ein lebhaftes Hin und Her der Launen mit unerwarteten, aber immer plausiblen Wendungen. Und das alles so unschuldig, unverstellt kindlich-naiv. Man kann gar nicht anders, als Volodos auch zuzuschauen bei seinem pianistischen Treiben und man kommt ins Überlegen, wie dieser immer noch ein bisschen bubenhaft wirkende Ausnahmevirtuose, der da die Finger mit wundersamer Technik tanzen lässt und Kopftheater spielt, ob also dieses erwachsene Kind nicht ein ganz ähnliches Gemüt ist wie Schumann.

Natürlich nicht wirklich: Die Wesensart dieser Interpretation war ja genau die, dass eben nicht übertrieben, nicht grell überzeichnet wurde, sondern dass sich all die Laune(n) in einem der Kleinform zuträglichen Maß, mit Pikanterie sondergleichen abspielten.

Die innige Geistesverwandtschaft zwischen Schumann und Schubert wird man auch kaum besser verstehen können als eben dann, wenn Volodos zuerst die Papillons, die Schmetterlinge in Schumanns Bauch, flattern lässt und dann zu Schuberts später A-Dur-Sonate D 959 schwenkt. Wie verspielt perlen da die Kaskaden gleich zu Beginn aus den mit Delikatesse leicht hingedrückten Anfangsakkorden. So klar und quasi-„symphonisch“ Volodos in der Folge die Dinge auch entwickelt, hält er sich genügend Spielraum frei für die spontanen Launen. Grandios, wie er die erwähnten Akkorde am Satzende in strengstem Staccato hören lässt: So akkurate Klangfarben kriegt dafür kein anderer hin.

Viel müsste man nun en detail beschreiben, aus dem Andantino-Satz etwa die geradezu wundersam geführten Basslinien: feinste Kammermusik zwischen linker und rechter Hand. Im Scherzo denkt man eher nicht an die Spritzer eines kredenzten Prosecco, sondern sieht eher wieder die Papillons fliegen. Aber zum Nukleus wurde dann doch der weitgehend monothematische Finalsatz, in dem das Allegretto-Thema immer aus Neue eigen ausgeleuchtet und in den Klangfarben ungemein vielsagend durchmodelliert wurde. Es muss schon viel Spannung aufgebaut sein, dass man am Ende die vielen Generalpausen, das ultimative „Sezieren“ der Themen-Partikel nicht nur als derart zwingend, sondern als so hochgradig charmant empfindet.

Zum Gedanken-Ordnen hörte man zwischen Schumann und Schubert die drei Intermezzi op. 117 von Brahms (auch sie auffallend leicht, ohne dass sie ihren nachdenklichen Urgrund eingebüßt hätten) – und danach gab es einen ausgiebigen, bunt durchmischten Zugabenblock. Standing ovations, was sonst?

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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