Ein unwiederholbares Ereignis
FESTSPIELE / CAMERATA SALZBURG / SIR ROGER NORRINGTON
18/08/16 Zum Abschluss ihrer diesjährigen Festspielpräsenz bescherte die Camerata Salzburg sich selbst und ihrem begeisterten Publikum das schönste Geschenk: Lauter Beethoven unter der Leitung von Ehrendirigent Roger Norrington.
Von Horst Reischenböck
Vor zehn Jahren amtierte Sir Roger noch als Chef der Camerata Salzburg und fand als Ehrendirigent seither viel zu selten den Weg zurück: Das zweite Festspielkonzert am Mittwoch (17. 8.) im Großen Saal des Mozarteums wird daher aus vielerlei Gründen als Sternstunde vermerkt werden. Mit 82 Jahren darf Norrington nun rechtens auf einem Dirigierstuhl über der Camerata „thronen“. Er dirigiert wie immer voll typisch britischen Understatements und - abgesehen vom Setzen dynamischer Akzente – mit spartanischen Gesten. Ein simples Deuten auf einzelne Gruppen im Orchester erweist sich als ökonomisch wirkungsvolle Anregung zu impulsiven Miteinander.
Bereits 2003, bei derin Eigenregie der Camerata veranstalteten „Begegnung“, standen sie auf dem Programm: Ludwig van Beethovens „Geschöpfe des Prometheus op. 43“. Das damals ausgesparte Andante „Coro di Gioja“ wurde anno 2016 nachgereicht. Dafür wurde auf die darauf folgenden vier der insgesamt 16 Nummern verzichtet. Wahrscheinlich wäre das Ganze insgesamt denn doch zu lange. Zumal von Roger Norrington selber verfasste Texte dazu kamen, die den zugrunde liegenden Mythos erläutern und von Hannes Eichmann auf Deutsch rezitiert wurden.
Nach der Ouvertüre und der „aufgeheizt“ artikulierten ersten Sturm-Musik Beethovens, bewies Roger Norrington übrigens, dass er den Streichern nicht ausnahmslos das Spiel ohne Vibrato verordnet: Dem Solocellisten zum Einstieg ins Andante quasi Allegretto gestattete er jedenfalls im Dienst an der Sache jegliche interpretatorische Freiheit. Berückend ausgespielt war die Wechselrede von Harfe, Flöte und Fagott im Adagio.
Norrington hat mit „The London Classical Players“ schon in den 1980er-Jahren - zeitgleich mit Landsleuten wie Sir Christopher Hogwood oder Sir Eliot Gardiner - Beethovens Sinfonien im Klangbild originaler Instrumente ausgeleuchtet. Im SWR übertrug er dann Erkenntnisse aus der historischen Aufführungspraxis auf das „moderne“ Orchester. Und ein ein solches muss nicht groß besetzt sein: Das stellten die 25 Streicher der Camerata Salzburg mit der „Eroica“ eindrucksvoll unter Beweis.
Explizit ausgespielt wurde der durch seinen 3/4-Takt überraschende Allegro con brio-Kampf im Kopfsatz. Die Steigerungwellen im berühmte Trauermarsch wurden unsentimental im Schritt gefestigt, wenn auch gegen Ende tempomäßig retardiert: Erinnerung an das durch Yehudi Menuhin überlieferte Bild von Ferenc Fricsay am Grab eines Freundes… Stille Gedanken, die das aufmüpfige Scherzo dann mit seinem geradezu dreist schmetternden Horn-Trio inmitten spontan hinweg fegte. Die Hornisten - genauso exzellent, wie in der Summe alle Bläser der Camerata Salzburg. Die Paukerin nicht zu vergessen! Es kommt nicht oft vor, dass auch ihr ein Dirigent gratulierend die Hand reicht!