Was der Fleischhauer in die Wurst tut
HINTERGRUND / FESTSPIELE / DVDs
19/08/16 Anett Fritsch und Luca Pisaroni sind zwei aus der Sängerschar, die sich bei der Fernsehaufzeichnungen von „Don Giovanni“ und „Le nozze di Figaro“ besonders genau auf die Finger und sonst überallhin haben schauen lassen müssen.
Ultra-HD Blu-ray mit einer Bildauflösung von 4k. Das klingt fachchinesisch. Es geht um die optische Aufzeichnung und diese soll vier Mal so hoch sein wie gewöhnlich. Es wird dem Betrachter der neuen „Figaro“-CD von den Festspielen also kaum eine Einzelheit verborgen bleiben, sofern die Kamera hin geblendet hat.
Aber nicht nur die vielen Pixel machen's aus. Auf DVD gebannte Oper will ja optimal vermarktet sein, der Markt der ernsthaft musikaffinen Hörer/Schauer ist nun mal begrenzt. Also gilt es, Zaungäste zu locken. Wie? Für den „Don Giovanni“ hatte ServusTV vor zwei Jahren eine Idee und verpflichtete zwei prominente Dokumentarfilmer, Volker Heise und Britt Beyer („24h Jerusalem“), um auch das Geschehen backstage zu vermitteln. Also nicht Künstlergarderoben-Gespräche als Pausenfüller, sondern eben viel von dem, was sich hinter der Bühne tut, in Echtzeit zur Aufführung.
Wird schon so sein, dass man Neugierdsnasen als DVD-Kundschaft braucht, um gute Opernmitschnitte für „echtes“ Publikum zu finanzieren. Solange man die Backstage-Aufnahmen auch wegblenden kann...
Frank Gerdes von ServusTV: „Besonders durch den digitalen Opernführer können wir ein neues Publikum ansprechen, denn er wendet sich nicht nur an Opern-Kenner und gibt ihnen neuen Input über die Oper, sondern er erklärt auch einem anderen opernfremden Publikum, worum es geht und hilft ihnen, die Oper zu entdecken“, sagt er. Konnte man bei der „Don Giovanni“-Übertragung die Oper selbst live im Fernsehen sehen und die Backstage-Aufnahmen online dazu schalten, so ist auf DVD bzw. Blu-ray beides parallel zu sehen. „Nach dem großen Erfolg dieser Ausstrahlung haben wir überlegt, wie wir noch zusätzliche Informationen transportieren können und sind auf die Idee des digitalen Opernführers gekommen.“
Einen solchen „digitalen Opernführer“ gibt es also auch zum dieser Tage vorgestellten Bild- und Tondokument von „Le nozze di Figaro“. Er erklärt nicht nur die Handlung, sondern teilt auch Zitate des Regisseurs zu den einzelnen Szenen mit.
Mit dem Erscheinen von „Le nozze di Figaro“ ist der DVD-Zyklus über die drei von Sven-Eric Bechtolf inszenierten Mozart/Da-Ponte-Opern nun komplett. Zumindest aus der Sicht der Adabeis und Technik-Freaks schaut „Cosi fan tutte“ von 2013 dabei recht alt aus: nichts als eine übliche TV-Aufzeichnung. Die anderen beiden DVDs zeigen mit dem „digitalem Opernführer“ das Drumherum, und der „Figaro“ sogar mit vierfacher Pixeldichte.
„Es ist eine große Herausforderung zu wissen, dass alles, was man auf und hinter der Bühne tut, bleibt. Bei normalen Aufführungen verfliegt ein nicht perfekt gesungener Ton schnell wieder, in der Aufnahme bleibt er aber für immer“, sagt Anett Fritsch, die die Contessa Almaviva im „Figaro“ und die Donna Elvira im „Don Giovanni“ singt. Auch ihr Sänger-Kollege Luca Pisaroni (Conte Almaviva, Leporello) pflichtet ihr bei: „Ich muss ehrlich sein: Die Aufnahme ist ein enormer Stress für uns Sänger, wir haben ja nur eine Aufnahme, nicht wie im Film mehrere Takes“, sagt der Bass-Bariton. Aber er sei auch sehr dankbar, nun diese drei DVDs in den Händen halten zu dürfen und sich in diesen drei völlig verschiedenen Rollen zu sehen, sagt er. Besonders die Backstage-Aufnahmen möge er sehr. „Es wird dadurch gezeigt, was wir Sänger so alles tun, um auf der Bühne gut da zu stehen. Viele vermuten hinter den Sängern ja so eine Art Gottheit, die wir aber wirklich nicht sind. Auch wir sind nervös, gehen von der Bühne und ärgern uns über einen nicht so gelungenen Ton“, sagt er.
Sven-Eric Bechtolf versichert, es sei belastend gewesen, überall Kameras zu haben. Schließlich sei er auch um das Wohlergehen der Künstler besorgt gewesen. Dennoch sei er glücklich nun diese Erinnerung dokumentieren zu können. Er freue sich schon darauf, diese DVDs seinen Enkelkindern zu zeigen, sagt er lachend. (PSF/Anne Zeuner; dpk-krie)