Ein zumindest „tollkühner“ Abend
FESTSPIELE / LE NOZZE DI FIGARO
17/08/16 Als letzte innerhalb der Trias an Da Ponte-Opern Wolfgang Amadé Mozarts hatte Dienstag (16. 8.) die Neuinszenierung von „Figaros Hochzeit“ aus dem Vorjahr im Haus für Mozart als Wiederaufnahme Premiere und fand begeisterte Zustimmung.
Von Horst Reischenböck
In gewisser Weise war und ist es die in sich schlüssigste der Opern-Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf heuer. Vorausgesetzt, köstliche Unterhaltung genügt, gelegentlich sogar spontan lauthals Lachen über die lange Strecken hindurch bewegungsreichen Abläufe, die das Auge permanent auf Trab halten. Der Wirbelwind eines eben „tollen Tags“, in dessen Verlauf sich alles an tragisch-komödiantischen Verwicklungen, Missverständnissen abspielt. So darf beispielsweise Barbarina – warum nur? – bereits während des Finales zum 2. Akt im Gerümpel auf dem Dachboden oberhalb des Zimmers der Gräfin auftauchen und dann mit Cherubino vom Weinkeller aus durch die Heizungsrohre unter dem Fußboden krabbeln. Später folgen auf demselben Weg Gärtner und Graf. Absolut unnötige Deftigkeit bleibt auch nicht ausgespart, wenn etwa Figaro im vierten Akt die Hose vor Susanna herunterlässt.
Sozialkritisches Nachdenken, Hinterfragen sind nicht angesagt und wurden von der Regie von vornherein ausgeklammert. Von einer Kritik am Jus primae noctis ganz zu schweigen, die in diesem Umfeld so anachronistisch wie nur denkbar anmutet. Ist doch die Handlung in die 1930er Jahre legt (das Wort „aktualisiert“ verbietet sich). Die adeligen Almavivas sind offensichtlich längst am absteigenden Ast, was auch die von Alex Eales gestaltete Bühne suggeriert: ein renovierungsbedürftiges Schloss mit verschlissenen Tapeten und von den Wänden bröckelnder Verputz. Auch die Orangerie im Schlussbild wirkt mehr als desolat.
Da wirkt es dann auch plausibel, dass die Contessa, gezwungen, um Hilfe bei ihr Untergebenen zu suchen, sich dazu ins Esszimmer der Dienstboten begibt. Hingegen wird die beißende Ironie, mit der Mozart zum Schluss des ersten Akts jegliches Militärwesen ad absurdum führte, schlichtweg verschenkt. Bei Figaros erstem an Cherubino gerichteten Satz ist dieser schon nicht mehr zugegen und verkriecht sich einen Stock höher in Susannas Schlafzimmer. Dort könnten ihn Figaros Worte in Wirklichkeit sicher nicht mehr erreichen.
Dagegen erfreut die aufgebotene Sängerschar. Sie ist mit einer Ausnahme identisch mit dem Cast von 2015. Berührend sowohl in „Porgi, amor“ wie „Dove sono“ das Legato von Anett Frisch als Gräfin, deren Sopran ideal im Brief-Duett mit Anna Prohaskas die Fäden ziehend neuer Susanna (an Stelle von Martina Janková) verschmilzt. Dazu kontrastiert Mezzo Ann Murray als Marcellina perfekt. Margarita Gritskova bezaubert in der Hosenrolle des schmachtenden Cherubino, ihr zur Seite die handfest burschikose Barbarina von Christina Gansch, im Vorjahr noch Mitglied des Young Singers Project.
In der Titelrolle parliert wieder Adam Placheta als nicht nur stimmgewaltiger Kraftprotz, vom Aufbegehren gegen seinen Herrn bis in zuletzt glaubhafte Verzweiflung über die „femmine“ hinein. Ihm steht Luca Pisaroni in nichts nach: einerseits eifersüchtiger, dennoch selbst jedem Rock nachlaufender und letztlich darob düpierter Graf. Don Bartolo alias Carlos Chausson orgelt seine ersten Verleumdungen tiefschwarz. Paul Schweinester verleiht seinem servilen Don Basilio eher homoerotische Züge und betätigt sich als Meister im Schlüssellochgucken und Anschleichen. Die kleineren Partien von Don Curzio bzw. dem grobschlächtigen Antonio sind bei Franz Supper und Erik Anstine genauso gut aufgehoben.
Aus dem Graben heraus stützen die blendend aufgelegten und aufgeräumt musizierenden Wiener Philharmonikern erstklassig, anfeuernd dirigiert Dan Ettingers Dirigat, der auch am Hammerklavier abwechslungsreich und geistreich die Secco-Rezitative garniert.