Hinlümmeln in der Urgeschichte
KELTENMUSEUM / ZEITSPRÜNGE URSPRÜNGE
05/11/14 Der bronzene Helm vom Paß Lueg fällt natürlich jedem Salzburger Schulkind ein. Nicht aber die eiserne Sklavenkette, aus einem Bergbgau am Großglockner. Beide Stücke stammen aus Salzburgs frühgeschichtlicher Ära. Sie sind jetzt in einem Raum des Keltenmuseums zusammen geführt.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Kette wiegt deutlich mehr als der Helm, und ihr Träger hatte im Leben wohl wirklich schwer zu tragen. „Macht & Ohnmacht“ ist das Thema eines von sechs neuen Parterre-Räumen im Keltenmuseum Hallein.
Mit diesem wichtigen Abschnitt musealer Präsentation löst das Keltenmuseum nun erstmals ein, wofür es künftig (auch) bestimmt ist: das Ur- und Frühgeschichte-Museum des Landes Salzburg zu sein. Die Fusionierung mit dem Salzburg Museum machte ja neue Schwerpunktbildungen möglich, und so ist nach entsprechender Vorbereitungsphase nun der entscheidende Schritt gemacht: Im Parterre bekommt man, didaktisch wohl durchdacht und in der Präsentation klug designt, vorgeführt, was sich rund um den Halleiner Kultur-Gipfelpunkt, die Hinterlassenschaft der Kelten, sonst im Land so getan hat – und noch viel früher, denn die greifbare Urgeschichte unserer Region reicht bis ins 10. Jahrtausend vor Christus zurück.
Das Design der Schau ist eine Beschreibung wert. Vitrinen mit Artefakten müssen sein, viel Lesestoff, bei zeitlich so fern Liegendem. Beides zusammen zu bringen, war die Herausforderung. Man hat sich für Schau-, Beleuchtungs- und Sitzmöbel in einem entschieden. Niedrige Schichtaufbauten aus durchgehenden waagrechte dunkle Holzplatten, Plexi-Milchglas als hell leuchtende Spanten, Einblicke von oben (für Erwachsene) und von der Seite (für Kinder). In die Relief-artigen Grundformen sind manchmal Glas-Kuben effektvoll integriert, für besondere Stücke.
Auf diese Präsentations-Möbel, die zugleich die weiß gekalkten Gewölbe ausleuchten, kann man sich auch lehnen, draufsetzen, hinlümmeln sogar. Man ist unmittelbar dran an den Stücken, Erwachsene wie Kinder. Fein und anregend ist das.
Auch für die Texte hat man sich etwas ausgedacht: Die Räume sind hell, da kommt man ohne zusätzliche Beleuchtung aus. Schrifttafeln sind natürlich unverzichtbar, aber man übertreibt nicht. Wer mehr wissen möchte, kann Klappen in der Wand aufmachen und bekommt dann Information mit punktuellem Mehrwert. Es ist auch gleich eine Anregung, die betreffenden Schaustücke zu suchen.
Da stößt man beispielsweis auf den „Halsreif von der Maschlalm“, ein Bruchstück aus Gold, das man bei Rauris aus der Erde geholt hat. Weiß der Teufel, warum ein Reicher dieses Stück gerade dort, in der Almregion, fern der eigentlichen Verkehrswege, vergraben hat.
A propos Verkehrswege: Die eingangs erwähnte Sklavenkette ist beim Bau der Großglockner-Hochalpenstraße zutage getreten. Mit Warenaustausch hatten alte Kulturen immer auch zu tun, „Fremd(es) in Salzburg“ heißt deshalb ein Raum, in dessen Mitte der Einbaum steht, der Ur-Kajak vom Wallersee. Winzig daneben: ein güldenes Modell eines solchen Wasserfahrzeugs mit zwei Paddeln, gerade einen Zentimeter groß.
Solche Fremd-Einflüsse geben zu denken, nicht nur wegen der beachtlichen Wegstrecken (Bernstein kam damals ausschließlich aus dem Baltikum). Die Kelten bekamen es letztlich auch mit den im Griechenland des 7. und 6. Jahrhundert erfundenen Geldmünzen zu tun. Sie prägten ab dem 4. Jahrhundert sogar selbst welche. Warum wohl haben sie die Idee der Münzen aufgegriffen, aber die Schrift nicht importiert in ihre Kultur? Die Buchstaben waren ihnen wohl weniger wichtig als das Mithalten beim Handeln.
Kinder finden ihre eigenen Klappen zum Öffnen, dahinter allerlei Aufgaben. Was von unserem Körper, von unserer heutigen Kleidung täte eigentlich die Jahrtausende überdauern? Den Helm vom Paß Lueg gibt es als Karton-Faltbogen. Mit einer Prägemaschine kann man sogar einschlägige Motive ins Material drücken.
„kURt“ heißt der Urgeschichte-Wurm, der als Ausstellungsmaskottchen dient. Es gibt aber auch eine Stabmarionette, eine Keltin namens Umma, die durch die Ausstellung führt. Die Museumspädagogen stehen, wie man sieht, Gewehr bei Fuß. Übrigens: Das Schwert, eine Erfindung der Bronzezeit, kann als erstes Objekt gelten, „dessen Funktion rein auf das Töten der eigenen Art ausgerichtet ist“, heißt es so schön in einem Text. Ideen muss man haben, dann floriert die Waffenindustrie! Dass man Schwerter gerne in Gewässer geworfen hat (wo sie Archäologen heutzutage bergen) hat wohl damit zu tun, dass die Götter irgendwie bei Laune gehalten werden mussten.
Der Löwenanteil der Exponate kommt aus den Beständen des Salzburg Museums. Für fünf Jahre läuft mal der (erste) Leihvertrag mit dem Keltenmuseum, denn so ohne weiteres kann man die Stücke ja doch nicht dislozieren, auch wenn die Museen von der Verwaltung her quasi fusioniert sind.
Vom Ausstellungs-Design hebt sich der Bereich „Diesseits & Jenseits“ ab. Da geht man in eine Art schwarzen Tunnel. Es sind ja auch ganz besondere Artefakte. Dort sind auch zwei echte Skelette zu sehen, jenes einer Frau und die Knöchelchen eines Babys. „Wir haben es mit Menschen zu tun“, erklärt dazu der Landesarchäologe Raimund Kastler. Der Anspruch, uns das nicht vergessen zu lassen, wird von der neuen Dauerausstellung generell gut eingelöst.