FKK im Barock. Kuh in der Landschaft
DOMQUARTIER / NATUR WIRD BILD
30/07/21 Kuhäugig. So wird die Chefgöttin der alten Griechen oft genannt. Das kann tatsächlich ein Kompliment sein – schaut man so einer Kuh einmal wirklich tief in die Augen. Möglich ist das, ganz ohne Kuhattacke und Schlagzeilen, in der Residenzgalerie in der eleganten Ausstellung Natur wird Bild.
Von Heidemarie Klabacher
Dräuendes Gewitter. Eiskletterer auf der Pasterze als diese wirklich noch ein imponierender Gletscher war. Windgezauste Bäume. Höfische Picknick-Gesellschaft mit Laute. Händler mit hoch aufgepacktem Wagen. Erstaunlich entblößte Damen beim Bade. Hirten und Jäger mit gehütetem Vieh oder gehetztem Wild... Was wären die prächtigsten Landschaftsmalereien ohne die winzigen Details. Hunde beim Pinkeln oder Enten im Fluge. Menschen beim Jagen, Baden, Wandern und, ganz besonders häufig, beim Betrachten besagter Landschaft. Vom Salzburger Maler Anton Faistenberger (1663 bis 1708) gibt es gar eine Landschaft mit Überfall – eine dramatische Inszenierung auf 160 mal 228 Zentimetern mit Wasserfall, Gewitterwolke, von Pferd gestochenem Opfer und durchdrehenden Pferden.
Österreichische Barockmaler hinterließen von 1600 bis 1800 auf Leinwänden, Kupferplatten oder Holztafeln in üppigen Farben, idealisierend, aber eben mit Liebe zum Detail, auf ihren monumentalen Berg- Wald oder Flusslandschaften auch eine Sozialgeschichte des Lebens in Gottes freier Natur. Natur wird Bild heißt denn auch die neue Sonderschau in der Residenzgalerie im DomQuartier. Die Schau zeigt 85 Gemälde vom postkartengroßen Kabinettstück bis zu Ölgemälden von zwei Metern Breite. „Wir spannen einen Bogen über die unterschiedlichen Darstellungen sowie deren Entwicklung und gehen der Frage nach, wo die Vorbilder für die österreichischen Landschaftsmaler der Barockzeit liegen“, sagt Elisabeth Resmann, die Geschäftsführerin des DomQuartiers.
„Angesprochen und zur Interaktion eingeladen“ werden sollen unterschiedlichste Zielgruppen – das klingt so pädagogisierend wie fad, wird in einigen Stationen aber wirklich charmant eingelöst: Die älteren von uns kennen diese Würfel, bunt bedruckt, die richtig geordnet Bilder aus Märchen ergeben. Das geht auch mit barocken Landschaftsbildern! Wie nett!
Aus je einer Landschaft mit weidendem Vieh von Joseph Roos dem Älteren aus dem Jahre 1765 herausgetreten sind eingangs erwähnte Kuh und eine echt charismatische Ziege. Die wurden vergrößert, ausgeschnitten und weiden jetzt in einem eigenen Hain in der Residenzgalerie. Betritt man diesen, beginnt ein Bächlein zu plätschern. Die Wände werden von stark vergrößerten Ausschnitten aus Gemälden gebildet.
„Sonderausstellungen bieten Gelegenheit, den Sammlungsbestand des Museums neu zu bewerten sowie selten gezeigte Werke aus dem Depot zu holen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen“, sagt Thomas Habersatter, der Kurator der Ausstellung. Restaurierungen würden durchgeführt, vor allem aber ergeben sich im Umfeld einer solchen Ausstellungen „immer wieder bemerkenswerte Erkenntnisse zu einzelnen Objekten oder Objektgruppen, die über Jahrzehnte im Verborgenen geschlummert haben“.
Themengruppen sind etwa Wald, Wildnis, Ideale Landschafen, Gebirgslandschaften, Jagd, Flämische Landschaft oder Österreichische Barocklandschaften. Leihgeber sind das Belvedere Wien, die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien, Liechtenstein. The Princely Collections Vaduz-Vienna, das Kunsthistorische Museum und das Salzburg Museum sowie Privatpersonen.
„Landschaftsmotive, nach denen das Pittoreske (Malerische) wie das Erhabene geradezu verlangen, sind Berg, Gebirge und Wasserfall – Symbole reiner, ungezähmter Natur. Die entfesselten Kräfte, Sinnbild für den göttlich geregelten Kreislauf, mahnen allegorisch die Nichtigkeit menschlichen Lebens an“, erklärt der Kurator Thomas Habersatter. Änderungen in der Wahrnehmung brachten die Zeit der Aufklärung und das zunehmende Interesse an geologischen und botanischen Phänomenen: „Die Landschaft wurde ästhetisiert und das in der Natur Gesehene dokumentiert.“ Eine genaue Wiedergabe des Gesehenen sei keineswegs immer das Ziel gewesen: In der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts etwa seien die Gemälde reine Atelierprodukte unter dem Diktat der „ausgebesserten“ Natur.
Landschaften dienten lange Zeit als Hintergrund für Porträts oder Historien, bevor sie als eigenständige Gattung anerkannt wurden, erklärt der Experte. Im 15. Jahrhundert waren es niederländische und italienische Künstler, die einen neuen Blick auf die Natur warfen. „Bevor die Berge im 18. Jahrhundert zum eigenständigen Bildmotiv wurden, verdichtete das Pittoreske, Schroffe und Monumentale des Geländes die winzige Szene im Vordergrund zu einem effektvollen Schaustück.“ Bei den Niederländern des 17. Jahrhunderts, Vorbild natürlich auch für die Österreichischen Maler, waren Überfälle auf Reisende oder betende Pilger beliebt: „Das atmosphärisch schimmernde Gebirge im Hintergrund entsprang oftmals der Fantasie.“