Edelstein des Regenbogens
HAUS DER NATUR / KRISTALLMAGIE
01/07/21 Schörl klingt nicht wirklich anregend. Irgendwie erdgebunden, und das ist er auch. Das Wort Turmalin ist deutlich vielversprechender: schöne, bunte Kristalle, selten und entsprechend kostbar. In der Ausstellung Kristallmagie – faszinierende Welten in dunklen Turmalinen zeigt das Haus der Natur, dass es auch schlichtes Schwarz in sich hat.
Viel häufiger als die attraktiven bunten Turmaline kommt bei uns das Turmalin-Mineral Schörl vor. Es ist völlig schwarz und unscheinbar. Seine Schönheit offenbart sich erst unter dem Mikroskop. Werden die Kristalle nämlich zu hauchdünnen Plättchen geschliffen, zeigen sich Mikrostrukturen von bestechender Präzision und Farbbrillanz. Da ist der Chemiker und Mineralien-Fotograf Paul Rustemeyer in seinem Element. Er spürt diesen überraschenden Innenwelten nach, und in seinen Fotos verbinden sich künstlerischen Anspruch und Ästhetik mit wissenschaftlicher Analyse, denn die Strukturen erlauben wie eine Röntgenaufnahme Einblicke in das Innere der Turmaline und die in ihnen gespeicherten kristallografischen Informationen. So gibt die Ausstellung Einblicke in Entwicklung von Form und Farbe bei Kristallen, erklärt ihre natürliche Korrosion oder wie zerbrochene Kristalle wieder verheilen.
Schörl-Fundstellen gibt es in Salzburg, Tirol, Kärnten, Ober- und Niederösterreich und der Steiermark. Turmaline kommen in kristallinen Gesteinen wie Pegmatit, Gneis oder Glimmerschiefer vor. Sie entstehen, wenn das Gestein ausreichende Mengen des seltenen Elements Bor enthält, über siebenhundert Grad Celsius erhitzt und hohem Druck ausgesetzt wird. Die schönsten Salzburger Turmaline stammen aus den alpinen Klüften der Hohen Tauern. Klüfte bilden sich im Zuge der Auffaltung der Alpen in etwa zehn Kilometern Tiefe: Hohlräume füllen sich mit heißen Lösungen, die das umgebende Gestein auslaugen. Aus den gelösten Mineralbestandteilen können die Turmalin-Kristalle in den Klüften ungehindert wachsen.
Die Dreieck-Symmetrie ist eher etwas für Mineralien-Fachleute. Wo kommen die überaschenden Farben her? Zwischen Bor- und Silikat-Atomen sitzen, so erklärt Paul Rustemeyer, quasi als Gäste allerlei Metalle. Zum Beispiel enthält der äußerlich schwarze Schörl Natrium, Eisen und Aluminium. Wenn Metalle wie Mangan, Titan, Eisen, Chrom oder Kupfer im Kristallgitter eingebaut werden, entfalten Turmaline wunderschöne Farben. „Man kennt heute über vierzig unterschiedliche Turmalin-Varietäten in allen denkbaren Färbungen, weshalb man den Turmalin auch 'Edelstein des Regenbogens' nennt.“
Den Chemikern, aber auch den Physikern haben es Turmaline angetan. Bei Temperaturwechsel zeigt dieses Mineral nämlich elektromagnetische Eigenschaften. Von Pyroelektrizität reden Physiker. 1880 beobachtete man, dass sich die Kristallenden eines Turmalins elektrisch aufladen, wenn man sie unter Druck setzt – damit war die Piezoelektrizität entdeckt. Es dauerte noch bis in die 1960er Jahre bis zur Anwendung dieses Effekts: Seit damals werden Turmaline zur Kontrolle der Schwingungen in Flugzeugtriebwerken eingesetzt. Der Turmalin vermag kleinste Unregelmäßigkeiten zu registrieren und hat so schon manches Unglück verhindert. Um die Turmalin-Kristallstruktur und mit ihr alle „magischen“ Effekte dieses Minerals vollständig aufzuklären, dauerte es schließlich bis in die 1950er-Jahre.
Auch im Fachgebiet Optik interessieren die Turmaline. 1818 fand man heraus, dass Längsschnitte aus Turmalinen wie Polfilter wirken. Legt man zwei davon um neunzig Grad gedreht übereinander, tritt kein Licht mehr hindurch.
Natürlich sind nicht nur Fotos von Paul Rustemeyer zu sehen, schließlich hat das Haus der Natur auch eine erkleckliche Zahl von Kristallen und Schliffen, die um Stücke österreichischer Mineraliensammler bereichert wurden. Die „Turmalingeschichten“ erzählen als digitales Buch von der Erforschung des Turmalins – von ersten Legenden über die frühe Forschung an der Kristallstruktur bis hin zu magischen Phänomenen und spannenden Entdeckungen rund um die Welt. (Haus der Natur/dpk-krie)