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Aufs innere Salzburg geschaut

PANORAMA MUSEUM / TRAUMSTADT

16/07/21 „Das mittlere Europa hat keinen schöneren Raum.“ Das wäre doch ein wohlfeiles Zitat, das sehr gut jenes zweifelhafte von Humboldt ersetzen könnte, der uns unter anderem mit Istanbul verglichen hat. Es zu propagieren hätte auch den Vorteil, dass es von einem der Festspiel-Gründerväter stammt. Hugo von Hofmannsthal war der Salzburg-Raum-Schwärmer.

Von Reinhard Kriechbaum

Untergekommen ist uns das Hofmannsthal-Zitat in der neuen Ausstellung im Panorama-Museum. Traumstadt heißt sie, und sie offeriert im Untertitel einen Blick auf Salzburg um 1920. Genau genommen entlang der kurzen Zeitleiste von 1918 bis 1930. Da wurde heftig geträumt, nicht nur von jenen, die – endlich – Festspiele Wirklichkeit werden ließen. Traum-tauglich war das historisch hinlänglich vorbelastete, aber noch kleine, verträumte Örtlein mit wenig über 60.000 Einwohnern auch für Künstler, die zumindest gern hierher fuhren, um Veduten zu zeichnen oder zu malen. In den fraglichen Jahren ging es ihnen nicht so sehr wie ihren Kollegen in der Romantik und im Biedermeier um den Kontrast von urbanem Menschenwerk in einer hübschen Landschaft. Sie gingen auch weniger auf die Stadtberge, um von hier auf die Alpenkulisse zu schauen. Sie schauten eher nach innen, auf die Stadt-Kulisse.

Man muss im Depot des Salzburg Museums wohl nicht lange graben, um solche Salzburg-Innenansichten en masse zu heben, Gemälde, Zeichnungen, Fotografien. In einem Stockwerk geht’s rund ums Sattler-Panorama um die Blickwinkel von den Stadtbergen aus, und einen Stock höher um die Stadt selbst. Da hat man die Hofstallgasse, den Residenzplatz, die Staatsbrücke und das Areal um Schloss Mirabell und den Kurgarten in den Blick genommen. Mit der „Gelben Elektrischen“ kam man damals dort überall vorbei – und erstaunlicherweise sogar ums Eck, wo sich jetzt (heuer noch nicht) die Touristen überrennen.

A propos Touristen: Es waren 1920 rund 200.000 Gäste, und die beiden stärksten Gruppen waren damals Deutsche und Wiener (je 40.000). Dem Maler Georg Jung verdanken wir nicht nur ein wohlbekanntes, beinah den Futurismus voraus ahnendes Gemälde von der Altstadt. Er hat in einem Blatt auch die Festspiel-Auffahrt (ungefähr von der Humboldt-Terrasse aus) beobachtet. Da schlängelte sich die Wagenkolonne über Mozart- und Residenzplatz durch den Ritzerbogen auf den Universitätsplatz, machte dann eine Kurve hinein in die Hofstallgasse, dann – das Große Festspielhaus war ja noch nicht gebaut – ging's etwa beim Festspiel-Portier rechts ums Eck und zwischen Bergwand und Hofstallungen wieder raus zur Pferdeschwemme und weiter die Münzgasse runter.

Verkehrschaos war schon in den Gründerjahren der Festspiele garantiert, obwohl 1920 in Salzburg erst 117 Motorräder, 162 PKWs und 126 LKWs registriert waren. Einmal ist sogar ein Zeppelin übers Kloster Nonnberg geflogen.

Viel nicht so bekanntes Material haben die Kuratoren Eva Jandl-Jörg und Werner Friepesz ausgesucht und dabei Kleinformatiges bevorzugt. So ist trotz begrenztem Raum ziemlich viel zusammen-gekommen. Eine Ansichtskarte zeigt den Stiegl-Keller, und wenn man sie aufklappt, prostet einem ein papierener Biertrinker entgegen. Architekturhistoriker interessiert vielleicht eher, dass Cecconi die Stiegl-Gastronomie im Sinne des Historismus mit einigen verspielten Türmchen verziert hatte. Das wurde dann aber rückgebaut. Ob zum Vor- oder Nachteil – darüber wurde schon damals heftig gestritten.

Utopisches Salzburg? Was wagemutige Planer in den 1920er Jahren fürs Kongresshaus vorgesehen hatten, würde auch heutzutage die Wogen hochgehen lassen. Meist ist eh nur das Gewöhnliche, eher Unauffällige, Gefällige gebaut worden (aber darum geht es in der Schau nicht). Jedenfalls wurde damals nicht nur groß geträumt in Sachen Traumstadt, sondern auch groß gedacht (zumindest von einigen, die sich hier niedergelassen hatten). Stefan Zweig nannte seine Villa am Kapuzinerberg, das Paschinger-Schlössl, „Villa Europa“.

Dieser Europa-Traum sollte auch bald ausgeträumt sein. Um darüber – und auch über viele andere Aspekte der lokalen Geistes- und Politik-Geschichte – etwas mehr zu erfahren, braucht's das im Residenz Verlag erschienene Katalogbuch. Der „Traumstadt“-Modus ungefähr im ersten Festspiel-Jahrzehnt ist jedenfalls in Ausstellung und Buch aus sehr eigenständigen Perspektiven aufgedröselt und damit entschieden mehr als die x-te Salzburg-Vedutenschau.

Von 23. Juli 2021 bis 17. April 2022 im Panorama Museum – www.salzburgmuseum.at
Bilder: dpk-krie

 

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