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Fotografieren konnte er auch noch

MdM / KIRCHNER / DER MALER ALS FOTOGRAF

05/03/19 Nur er selbst zu sein, genügte ihm nicht. Also erweiterte der Maler, Graphiker und Plastiker Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) seine Persönlichkeit durch den fiktiven Herrn Louis de Marsalle. Den ließ er über sich in den 1920er Jahren Aufsätze schreiben.

Von Werner Thuswaldner

So wollte Kirchner, bekannt als Mitglied der Expressionistengruppe „Die Brücke“, dafür sorgen, von Kritikern und Publikum „richtig“ verstanden zu werden. Im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg ist nun eine Ausstellung mit Fotoaufnahmen von ihm zu sehen.

Die Begeisterung für das Exotische, insbesondere die Stammeskunst, teilte Kirchner mit vielen anderen Künstlern seiner Zeit. Denn die Stammeskunst wurde als das Echte, Ursprüngliche, nicht durch die Zivilisation Verbildete angesehen. Kirchner ersparte es sich, diese Kunst in Afrika oder an einem sonstigen Ort ihres Ursprungs aufzusuchen, stattdessen ließ er sich afrikanische Mitwirkende des Zirkus Schumann als authentisches Anschauungsmaterial ins Atelier kommen. Die Schweizer Ureinwohner der Gegend von Davos erschienen ihm übrigens nicht minder exotisch, einige von ihnen wurden ebenfalls ins Atelier gebeten. Viel lag Kirchner daran, das Bewusstsein zu erweitern, was ihm mit Absinth und noch besser mit Morphium gelang. Die Folge war Drogenabhängigkeit, die sein Leben, das er 1938 durch einen Schuss ins Herz beendete, phasenweise schwer beeinträchtigte. Dass seine Werke von den Nazis als „entartete Kunst“ eingestuft wurden, war ein Grund, aber nicht der einzige.

Kirchner hinterließ ein umfangreiches fotografisches Werk. Damit kennt sich der Direktor des Salzburger Museums der Moderne, Thorsten Sadowsky, sehr gut aus, denn er war, bevor er im Vorjahr hierher kam, Direktor des Kirchner-Museums in Davos, das über diesen Teil des Kirchner-Oeuvre verfügt. Kirchner verstand sich nicht als „Kunst-Fotograf“, wohl aber hing er der zu seiner Zeit weit verbreiteten Meinung an, wonach die Fotografie die Kunst entlaste, weil die nun an ihrer statt die mimetische Funktion übernehmen könne. Er nützte die Fotografie dazu, sein künstlerisches Werk zu dokumentieren und stellte Fotoalben her. Aber – und das zeigt die Schau auf dem Mönchsberg ganz deutlich – die Fotografien, seien es Atelieraufnahmen, Porträts (etwa von Oskar Schlemmer und Alfred Döblin) oder Landschaftsaufnahmen – folgen jeweils hohen ästhetischen Ansprüchen. Die Grenze zwischen bloßer Dokumentation und bildender Kunst ist zumindest fließend. Und es fällt einiges an biographischen Informationen ab. Die psychische Labilität – zu seiner Zeit „Neurasthenie“ genannt – ist diesen Aufnahmen eingeschrieben.
Im Kirchner-Museum Davos setzt man sich intensiv mit diesen Sammlungsbeständen auseinander und ist bestrebt, sie zu digitalisieren, um sie breiten Kreisen – nicht zuletzt der Forschung – zugänglich zu machen.

Ernst Ludwig Kirchner. Der Maler als Fotograf. Bis 16. Juni im Museum der Moderne Mönchsberg – www.museumdermoderne.at
Bilder: MdM / Kirchner-Museum Davos

 

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