Von der Schraube zur Wunderkammer
DOMQUARTIER / WUNDERKUNST
17/05/18 Das Schiff mit geblähten Segeln ist natürlich ein auffälliges Stück. Dass es Räder hat, lässt nicht auf ein Amphibienfahrzeug schließen. Und das kleine Ungeheuer am Bug, dessen Maul in ein Röhrchen mündet?
Von Reinhard Kriechbaum
Zu „Trinkgefäß“ fallen einem logischerweise Bierhumpen ein, die im Falle einer barocken Wunderkammer selbstredend aus wertvollem Material, aus Elfenbein oder Steinbockhorn sind. Die Applikaturen aus Silber und Gold nicht zu vergessen. Schon mehr Fantasie gehört dazu, die güldenen Schiffchen als Behälter für Wein zu identifizieren. Das erwähnte kleine Schiff könnte sogar als Objekt eines Trinkspiels gedient haben. Angeblich wurde es über die Tafel gerollt. Auf wen dann der Bug-Schnabel zeigte, für den hieß es: Ex!
Angesichts der filigranen Arbeit des Objekts aus vergoldetem Silber, ein Ding also nicht nur mit ansehnlichem Edelmetallwert, muss man diese Geschichte nicht wirklich glauben. Es waren sicherlich nur ganz besondere Anlässe, zu denen dieses Trinkschiffchen tatsächlich auf die Tafel kam.
Auch den goldfunkelnden Hirsch wird man kaum auf die Jagd mitgenommen haben zur Atzung der besseren Gesellschaft. Jedenfalls ist auch dieses Ding ein Trinkgefäß in Tierform. Den geweihbekrönten Kopf kann man abnehmen.
Das bei weitem wertvollste Stück, das in der Schau „Wunderkunst“ im Salzburger DomQuartier zu sehen ist, ist freilich der Erbschenkenpokal. Im Jahr 1562 ist er bei der Krönung Maximilian II. tatsächlich in Funktion gewesen. Angeblich war er halb mit Wasser, halb mit Wein gefüllt, um die noble Gesellschaft nicht gleich ins Delirium zu befördern... Nicht minder auffällig ein Trinkgefäß aus einer Nautilusschnecke. Sie ruht auf einem Fuß, der einen Wilden Mann darstellt. Den Deckel ziert eine Figurengruppe: Neptun mit Dreizack im Kampf gegen ein Ungeheuer. Da nimmt sich ein Pokal mit einem kleinen Nashorn als Deckelgriff geradezu bescheiden aus.
Die Nautilusschnecke ist ein Beispiel für Kunsthandwerk, das prädestiniert war für barocke Wunderkammern. Da ging es ja speziell darum, Werke der Kunst und Objekte aus der Natur zu sammeln. Man unterschied ihren Inhalt daher in „Artificialia“, also künstliche, und „Naturalia“, Naturobjekte. Die einen waren das Werk des Menschen, die anderen galten als das Werk Gottes. In ihrer Gesamtheit, vor allem in der kunsthandwerklichen Verschränkung, sollte die Kunst- und Wunderkammer den Kosmos abbilden.
Ins Salzburger DomQuartier passt diese Schau nicht zuletzt deshalb so gut, weil es hier ja die Kunst- und Wunderkammer des Dommuseums gibt. Die ist zwar nicht in ursprünglicher Form auf uns gekommen, aber Prälat Johannes Neuhardt und Nora Wattek haben die Räumlichkeiten 1974, im damals neuen Dommuseum, quasi neu bestückt.
Man könnte nun lustvoll Raum um Raum dieser beeindruckenden Schau beschreiben, für die das Wort „Wunderkunst“ wahrlich nicht untertrieben ist. Vor allem mitteldeutsche Bildhauer sind in großer Zahl vertreten, eben weil der Sammler Reinhold Würth zum Barock seiner engeren Heimat ein besonderes Naheverhältnis hat. Bei Giambologna etwa hat Leonhard Kern (1588-1662) gelernt. Von ihm sind handsame Kunstkammer-Skulpturen aus Elfenbein, Holz und Alabaster zu sehen. Georg Petel (1601-1634) galt seinen Zeitgenossen gar als „deutscher Michelangelo“. Aus einem Elefantenstoßzahn hat er einen gut ein Meter großen Christus am Kreuz geschnitzt, der in dieser Schau überhaupt das erste Mal öffentlich gezeigt wird.
Eine bewegte Figurengruppe zeigt den Raub der Proserpina. Diese Elfenbeinskulptur hat sogar Salzburg-Bezug, denn ihr Schöpfer ist 1644 in Mattsee zur Welt gekommen. In Wien hat er es später zum „kayserlichen Kammerbeinstecher“ gebracht.
Wie hoch wohl der Versicherungswert all dieser „Wunderkunst“ ist? Solche Details werden ja nicht verraten. Beim Öffnen des nächsten Päckchens mit Schrauben wird man sich in Zukunft jedenfalls an diese Ausstellung erinnern. In diesem Metier ist der Sammler Reinhold Würth zu seinem Geld gekommen.