Mit vertauschten Rollen
KÜNSTLERHAUS / ÜBERSCHÖNHEIT
28/04/15 Nach der Schönheit muss in der jüngsten Ausstellung des Kunstvereins, deren Titel „Überschönheit“ lautet, in einem Labyrinth gesucht werden. – In der Ringgalerie kann man Hand anlegen an Kunstwerke des Kunstvereins-Chefs.
Von Werner Thuswaldner
Das Thema „Überschönheit“ sei im Lauf einer abendlichen Unterhaltung zur Sprache gekommen, erklärt der Direktor des Kunstvereins, Seamus Kealy. Eine Frau habe gesagt, Salzburg sei zu schön.
Wie soll man sich diesem Überschuss gegenüber verhalten, wie sich wappnen? Vielleicht ist das Problem aber gar nicht so groß, weil tagtäglich ohnehin genügend geschieht, um die Schönheit, die manche offenbar nur schwer ertragen können, zu demolieren. Frauen streben ein solches Übermaß an Schönheit angeblich mit Hilfe diverser Operationen an, deren Ergebnis oft vorgestülpte Lippen und eine straff organisierte Gesichtshaut ist.
In der Kunst gibt es das Phänomen der Überschönheit ganz bestimmt auch. Man trifft die Werke in der Abteilung „Kitsch“. Damit hat die Ausstellung im Künstlerhaus nichts zu tun. Sie verweigert sich dem Thema. Argumentiert wird unter anderem damit, dass die Frage nach der Schönheit umso dringender werden könnte, wenn sie gar nicht anwesend sei.
Wer von der Ausstellung etwas haben will, wird nicht umhin können, sich etliches an Vorwissen anzueignen. Sonst würde sich vieles nicht erschließen und die zahlreichen Allusionen der Künstlerinnen und Künstler ins Leere gehen. Mit reichlich viel Informationsmaterial ist Vorsorge getroffenen worden.
Was spontan anspricht, sind die unterschiedlich gestalteten Räume, die der deutsche Künstler Tilo Schulz in den großen Ausstellungssaal hineingebaut hat. Das Labyrinth, in dem die Besucher nicht immer das Gefühl haben, sie werden jemals wieder hinausgelangen, wirkt so stark, dass die präsentierten Werke der Künstlerinnen und Künstler, Installationen, Gemälde, Videos, Graphik, davon nur gewinnen können.
In den einzelnen der sieben Waben oder Zellen mit ihren schwarzen oder manchmal durchscheinenden Wänden werden sie gleichsam geheimnisvoll aufgeladen. Einmal geht es sogar eine Stiege hoch und von oben lässt sich fast ein Überblick gewinnen. Man schaut auf die Besucher hinunter und denkt, dass es sich auch um eingeschlossene Versuchswesen handeln könne.
Wo die Schönheit ist? Die Frage wird nicht eindeutig beantwortet. Die Künstlerinnen und Künstler lassen sich das Thema offenbar nicht wie bei einem Schulaufsatz vorgeben. Im Raum fünf beispielsweise führt Aida Ruilova einen Film mit kurz geschnittenen Szenen vor, mit dem sie die enge Beziehung zwischen Horror und Erotik zeigen will. Sirin Kretschmann will Lichtprojektionen vermitteln, wie einsam die Tätigkeit einer Künstlerin ist. Von Ursula Mayer ist eine großformatige Fotografie aus ihrer Serie „The Unbegotten“ zu sehen, auf der sie in eine Plastik von Bruno Gironcoli zwei Models eingebaut hat. Im letzten Raum sind Collagen der Mozarteumsprofessorin Nicole Vermers ausgestellt. In Collagen verwendet sie Ausschnitte aus Magazinen zum Thema Wohnen und stellt deren Ästhetik in Frage.
In der Ringgalerie haben der Künstler Nedko Solakov und der Direktor des Kunstvereins, Seamus Kealy, die Rollen getauscht. Kealy, der bis in die neunziger Jahre als Maler tätig war, stellt sich mit einer von Solakov ausgewählten Reihe von Gemälden dem Publikum. Die durchwegs ansprechenden Bilder hängen in einer Plexiglasbox an der Wand. Die Besucher des Künstlerhauses können sie mit farbigen Markern kommentieren, ergänzen oder verbessern. Davon wird, wie man sehen kann, schon von Beginn an intensiv Gebrauch gemacht. Endlich ist man nicht mehr bloß auf die Rolle eines Betrachters reduziert, sondern ist zur Eigeninitiative aufgefordert. Leserbriefschreiber in der Zeitung genießen dieses Privileg schon lange.
Im Kabinett läuft der Film „The Palace“ der englischen Künstlerin Emily Wardill. Er ist im Vorjahr in Kooperation mit Tomas Friedmann vom Salzburger Literaturhaus entstanden. Sein Thema ist die Unschärfe und Vieldeutigkeit von Sprache und Bild.