Was man als Surrealist mit der Kamera so braucht
GALERIE MAM / CHEMA MADOZ
29/03/15 Was für eine Idee: Der Uhrkasten ist zu gut einem Drittel mit Sand gefüllt, so dass das Pendel drin stecken bleibt. Ganz offensichtlich versandet die Zeit. – Wie aber tickt der spanische Fotograf Chema Madoz, den die Galerie MAM (nur wenige Tage noch) in der Salzburger Residenz vorstellt?
Von Reinhard Kriechbaum
Mit ganz simplen Interventionen ins Gewöhnliche stellt Chema Madoz die Welt der vermeintlich alltäglichen Dinge auf den Kopf. Das Lesezeichen im Buch ist eine Rasierklinge. Eine solche taucht nochmal auf, als Bestandteil einer Geige. Das scharfgratige Ding dient als Steg, darüber laufen die Saiten! Wir wollen uns lieber nicht vorstellen, was passiert, wenn die Saiten tatsächlich in Schwingungen kommen.
Angeblich sind all die ästhetisch schönen, fast ein wenig glatt anmutenden Schwarzweißfotos keine Ergebnisse raffinierter Bildbearbeitung. Chema Mandoz „baut“ die Szenerien tatsächlich, und er verwendet beim Ab-Bilden angeblich am liebsten natürliches Licht. „
Sein Madrider Atelier gleicht einem Kuriositätenkabinett aus Alltagsgegenständen“, erklärt man in der Galerie Mauroner. „In Regalen und auf Tischen verstreut stehen Volieren in unterschiedlichen Größen, daneben Schachbretter und Ziffernblätter, Schuhe, Hüte, und vieles mehr. Dazwischen lugen Sanduhren, Küchengeräte, Schlüssel oder ein Plastikfrosch hervor.“
Was man als Surrealist mit der Kamera eben so braucht. Die Utensilien für die in Salzburg gezeigte Schau sind nicht ganz so vielfältig, denn da hat man einen Fokus auf die Musik gelegt: Der ultraschlanke Violinschlüssel vom Plakat entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als in Schlingen gelegte Reitgerte. Als Collage ist sie kombiniert mit Noten von Bach. Stimmt schon, richtige Noten produzieren hat auch mit Dressur zu tun. Ein Pianist erholt sich wohl beim Schachspielen. Ein solches Brett steht auf dem Notenpult. Eine Note steht aufrecht im Sektglas, und auch die Zunge einer schwarzen Maske entpuppt sich als Musiknote.
Chema Madoz irritiert gerne mit verspielter Leichtigkeit. Mitten hinein in eine Sternenkarte hat er einen Waschbecken-Gully gelegt. Könnte es sein, dass demnächst das ganze Universum nit einem sabbernden Geräusch eingesaugt wird? Eben so wenig wollen wir uns vorstellen, was passiert, wenn das Kartenhaus zusammenbricht, das Chema Madoz nicht aus Spielkarten, sondern aus schweren Holztüren aufgebaut hat. Dann wäre all dem Spielerischen Hohn gesprochen, mit dem der hinterlistige Fotograf in seinen Werken so erfindungsreich umgeht.