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Feindbilder, nein danke!

ARGE / MotzArt KABARETT FESTIVAL / ZIMMERSCHIED

05/02/16 Personen- statt Hochwasserschutz? So wie der über schwule Regenbogen-Lehrer-Familien mit Monster aus der Samenbank redet. Oder über Handy-Nutzer mit mehr als dreißig Apps. Oder über den „liebreizenden Weihbischof von Passau“ mit seiner Nonnen-WG… Sigi Zimmerschied reißt mit seinem „Hochwassermonolog“ alles mit, was politisch korrekten Tugenwächtern heilig ist. Wie wohltuend!

Von Heidemarie Klabacher

Er kann toben wie ein rechtsdrehender Stammtischpolitiker im Rausch der Selbstgerechtigkeit - und kriegt für diese Performance spontanen Szenen-Applaus. Aber er lässt auch Einsicht und wachsende Empathie erkennen: „Ich habe meine eigenen Feindbilder satt. I mag jetzt alle.“ Den homosexuellen Sowjetbürger. Den nigerianischen Christen. Den ganz normalen Österreicher. Obwohl: „So a Rosenkranz ist schnell aufg’sagt und Österreicher hamma a scho a mal an zvü eina lassen.“

Auch Weihnachten mag er, samt Familie. Dazu gehört – verhaltenskreativ und von der Samenbank - Nelson Elton Maria: „Unsa Klana.“ (Die Lewitscharoff dürfte das nicht, aber die gehört auch nicht zur Zunft der Kabarettisten.) Aber Berti, der Informatiker, der gehört zum Clan. Er ist ein wenig „teigig“, versteht aber viel von Computern und kennt sich im Internet aus. Das mit der Gerechtigkeit und den Hinrichtungen in Syrien sagt Berti zu. Er hat auch schon einen mächtigen Bart und will Kalif werden. Aber das hält Onkel Sigi nicht für sinnvoll: „Kein Gott welcher Religion auch immer will so einen Gotteskrieger.“ Wie Berti sich später beim Köpfen von Krauthäupteln erleichtern wird, wird so gruselig wie schräg sein. Der arme Berti weiß freilich auch nicht, dass es außer dem USB-Stick noch was anderes gibt, „das Spaß macht, wenn man es wo hineinsteckt“. Manches ist weniger jugendfrei, bei Sigi Zimmerschied, dem begnadeten Sprachvirtuosen und Schauspieler unter den Kabarettisten. Sonst verbirgt Sigi unter rauer Schale – Arschloch heißt jetzt Anlageberater – einen weichen Kern, mit viel Gemeinsinn und Versöhnungsbereitschaft.

Leitmotiv durch den Hochwassermonolog ist der Inn. Der grüne, aber auch leider manchmal braune (hat nix mit „Blau“ in Österreich zu tun) Inn. Und die große Flut anno 2013. Mit dem Wasserstand steigt die innere und äußere Spannung. Der Ich-Erzähler ist der Inn-Wächter, sozusagen.

Er schaut aus einem imaginären Wachzimmer (Leuchtturm), gibt den Wasserstand ans Publikum weiter und setzt Maßnahmen. Ab 481 Zentimeter wird der Wasserstand langsam zum Problem. An die Rekrutierung von Hilfskräften ist zu denken. Indikator für die Tauglichkeit in Krisenfällen ist das Smartphone, genauer die Zahl der Apps. Unter zehn Apps geht’s noch: „So ein Mensch steigt in einen Bus, der auch ankommt, er fährt dorthin wo er möchte und geht dann in eine Wohnung, wo ihn niemand fragt, was er da will.“

Menschen mit dreißig Apps auf dem Handy, taugen schon weniger. Solche gehen auch dann nicht über die Ampel, wenn sie grün wird, weil sie zuerst überprüfen, ob es die Ampel überhaupt gibt. Mit vierzig Apps empfiehlt man sich für den Krieg und die erste Schlachtenreihe: „Da bist Du autoritätshörig und glaubst schon sehr viel.“ Auch in Diktaturen seien solche Leute sehr gefragt.

Die Tauglichkeit zur Hilfskraft in Hochwasser- und sonstigen Katastrophen schwindet freilich mit der Zahl der Apps. Die mit über sechzig sind überhaupt an der Schaffung der Katastrophe wesentlich beteiligt - Politiker oder Manager etwa.

So mäandert Sigi Zimmerschied dahin. Schaut der alten Frau Piesberger ins Fenster, die ohne jeden Sinn für Dramaturgie – wie in einer Castorf-Inszenierung – in der Schlinge baummelt. Verschont auch sein Publikum nicht: „Nicht jeder hat das richtige Gespür für ein Hemd“, sagt er, verbietet dem Saal aber, über den Bloßgestellten zu lachen: „Ja was wissen wir denn schon über seine Kindheit.“

Der Inn steigt. Und es geht gleichzeitig hinab in die Tiefe der Seele(n). Etwa in das „Getto der Gleichgeschlechtlichkeit“ um sich dort „zu öffnen für ein Kind und einen Hund und um beide anzunehmen und sich ausleben zu lassen“. Wird schon schief gehen: „Den Tarzan haben die Affen aufzogen, is a wos wordn.“

Das mit der Dildo-Krippe in der WG des liebreizenden Weihbischofs und der Nonne aufs Butterbrot klang deftig, aber was weiß man in Salzburg schon von Passauer Bischöfen. Zimmerschied scheint da einen recht zu mögen. Er hat eben keine Feinbilder mehr.

Weiter geht es heute Freitag (5.2.) mit Luise Kinseer und „Ruhe bewahren“ – www.argekultur.at
Bild: Franziska Schroedinger

 

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