Haarsträubende Zustände
KABARETT / URBAN PRIOL
23/05/14 Ihm stehen die Haare zu Berge, weil ihn die aktuellen politischen Vorkommnisse derart aufregen. Das ist das Markenzeichen des deutschen Kabarettisten Urban Priol. Am Donnerstag gastierte er im ausverkauften „republic“.
Von Werner Thuswaldner
Die Stirnglatze wird zwar bedrohlich größer, aber es ist zu hoffen, dass sie nicht in absehbarer Zeit dem noch erhaltenen Kopfschmuck den Garaus macht. Zu hoffen ist vor allem, dass Urban Priols Furor, mit dem er den politischen Alltag analysiert, nicht nachlässt. Zunächst ist aber noch kein Anlass zur Sorge. Priol scheint nach wie vor über ausreichend erneuerbarer Energie zu verfügen, um einen dreistündigen Abend hochkonzentriert und ohne Anzeichen von Erschöpfung durchzustehen.
Bis kurz vor dem Auftritt informiert er sich über das aktuelle Weltgeschehen, um ja zu verhindern, dass sein Publikum einen Informationsvorsprung haben könnte. Das sei der Grund, warum die Besucher am Anfang gebeten würden, ihr Handy abzuschalten.
Solange die deutsche Kanzlerin Angela Merkel heißt, wird ihm der Stoff nicht ausgehen. Sie – „schlecht angezogen und prinzipienlos“ – ist für ihn ein unerschöpfliches Thema. Ihn bringt auf, mit wie viel Unkenntnis und Nichtstun sie sich durch den politischen Alltag schwindelt. Die Neuigkeiten scheint sie morgens beim Friseur aus der „Apothekerrundschau“ zu beziehen. Wie sie den südlichen Ländern in Europa einbläut zu sparen, geht ihm auf den Geist. Aber für die deutsche Mentalität – Arbeitswut und Wehleidigkeit – scheint sie eben genau die richtige zu sein. Die schlichten Gemüter, die ihr in allem und jedem zustimmen, bringen ihn auf die Palme.
Gerhard Schröder charakterisiert er – Putins Gasableser – mit dessen sattem Lachen, und für Helmut Kohl braucht er nur einen einzigen Laut, damit darin die langjährige Kanzlerschaft dieses Mannes zusammenschieße. Helmut Schmidt tauchte schemenhaft aus dem Nebel des Zigarettenrauchs auf.
Priol brachte tausend Dinge zur Sprache. So etwa kam ein hoch interessantes deutsches Prinzip zur Sprache. Große Institutionen, die in eine Krise geraten, brauchen einen Schuldigen. In Deutschland hat man einen gefunden, der diese Rolle zur Befriedigung aller spielt: Hartmut Mehdorn. Der Mann wurde zur Bahn gerufen, als dort nichts mehr funktionierte, übernahm die Schuld und wurde mit Millionen abgefertigt. Dann spielte er dieselbe Rolle bei Air Berlin. Wieder endete sie mit einer prima Abfertigung. Und jetzt agiert er als der Hauptverantwortliche für das unglaubliche Desaster beim Bau des neuen Berliner Flughafens. Auch dort ist er an allem schuld, und am Ende winken gewiss Millionen.
Viele, viele andere Themen nahm sich Priol vor. Der Terror der Elektronik war eines, der Zustand der katholischen Kirche ein anderes. Sollte der jetzige Papst draufkommen, dass es ein Leben vor dem Tod gibt, werde alles zusammenbrechen. Beziehungsknatsch kam auch an die Reihe. Diesen Programmteil, den Umgang mit Frauen, handelte er erstaunlich ruhig ab. Er hat resigniert und hält sich an ein Bild aus der Jägersprache: „Die Frau ist die einzige Beute, die dem Jäger auflauert.“
Zu lachen gab es jede Menge, zu bedenken auch. Das Publikum reagierte auf die Anspielungen blitzschnell und jubelte dem Kabarettisten als ihrem kompetenten Sprachrohr zu.