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Volle Dröhnung. Gemischte Gefühle

LANDESTHEATER / BLASMUSIKPOP

09/10/23 Liebeserklärung an die unerschütterliche soziale Beständigkeit des älplerischen Dorflebens oder Demaskierung eines solchen als mentale Zumutung? Diese Spannung stehen im Zentrum von Vea Kaisers Romandebüt von 2012. Nun hatte die Bühnenfassung von Blasmusikpop Uraufführung am Landestheater. Thema ist der Konflikt zwischen Tradition und Veränderung, Verwurzelung und Weltoffenheit.

Von Erhard Petzel

Vea Kaiser stammt aus einem kleinen niederösterreichischen Dorf. Das Längste, das in ihrer Familie je geschrieben wurde, seien die Einkaufszettel für das Wochenende gewesem. Mit ihrem literarischen Protagonisten Johannes A. Irrwein teilt die Autorin die Leidenschaft für Altgriechisch, ihre Liebe für Fußball grenzt sie von diesem ab. Der Aufbau des Romans folgt einem historischen Typus mit der Vorgeschichte in Person des Dr. Johannes Gerlitzen, der als Einwohner des abgeschiedenen Ortes St. Peter am Anger nach Abscheidung eines enorm langen Bandwurms aus der Rolle fällt, alles samt Frau und Tochter (mit der Haarfarbe des innig zerstrittenen Nachbarn) verlässt, in die Stadt zieht, auf dubiose Weise seine Studienzulassung erwirbt und als Arzt mit Spezialgebiet Würmer ins Dorf und zu seinen Lieben zurückkehrt.

Seine gebildete Andersartigkeit vermittelt er seinem Enkel Johannes  Aaron Röll), bis er bei einem gefährlichen Einsatz für einen verfeindeten Dörfler sein Leben in einer Schlammlawine verliert.

Zusammengearbeitet wird mit der Musikkapelle Anif und dem Salzburger Amateurtheaterverband Die Bühnenfassung von Larissa A. Jank beginnt mit dem Begräbnis. Nachruf und G’stanzeln vermitteln die wichtigsten Informationen zu dieser Figur. Inhalte aus etwas abseitigen Chronik-Seiten, die den Roman unterbrechend gliedern, und den Briefen, die der wegen seiner Herodot-Manie verhinderte Absolvent des Stiftsgymnasiums Johannes A. Irrwein seinen altphilologischen Gesinnungskollegen aus dem sogenannten Digamma-Klub schreibt, werden in der Bühnenfassung vom absurd illuminierten Geist des Opas, Johannes Gerlitzen, und ihm im Zwiegespräch oder Monolog vorgetragen.

So vermitteln sich auch die Einflüsse des Opa-Doktors. Im aussparenden Zeitraffer durcheilt Röll die Schülerstadien seiner Rolle, bis er seine äußere und innere Integration in die Dorfgemeinschaft erfährt. Damit erfüllen beide die von dort gelebte und hoch gehaltene Prämisse, dass St. Petrianer immer solche blieben und ihren festen Platz im Gefüge einnehmen, auch wenn sie wie die beiden spinnert geworden sind und so wie die „Hochg’schissenen“ von auswärts reden.

Das Chaos mündet in einem Gastspiel mit dem Hamburger Verein St. Pauli, das zwar absurd hoch verloren wird, dem Dorfgeist aber neue Kraft verleiht und den Aufschwung des Gemeinschaftsgefühls beflügelt. Unabdingbar dazu das Wirken der Blaskapelle, die durch Musiker und Musikerinnen der Musikkapelle Anif kongenial verkörpert wird.

Alles verändert sich und alles wird gut. Generell schaufelt das Stück eine Überfülle an Personal auf die von Karl-Heinz Steck so funktionell wie rudimentär gestaltete Bühne: Stufen zu einem Podium, das von einem Gebirgsprospekt als Hintergrund abgeschlossen wird und Durchgänge und Klapplösungen eröffnet. Darauf inszeniert Christina Piegger durchaus komische Dynamik in die Dorfszenen von Fronleichnam bis zum Fußball-Match. Die Dorfältesten dürfen ihrem vertrottelten Image gemäß mit Traktor-Attrappe durchschippern. Logik und Kontinuität der Handlung leiden erwartungsgemäß bei der Dramatisierung des Romans, deren Fluss zusätzlich unnötig durchbrochen wird.

Es spielen mit Energie Aaron Röll,Walter Sachers, Maximilian Paier, Patricia Falk, Lisa Fertner, Larissa Enzi, Georg Clementi, Axel Meinhardt, Britta Bayer und Thomas Wegscheider

Das Publikum zeigte sich gut unterhalten, wobei das Ensemble noch Potential hat sich freizuspielen, wie es z.B. den nordic-walkenden Damen gelingt. Auch der Dorfdialekt stellt sich als Herausforderung heraus und könnte einheitlicher tönen.

Blasimusikpop – weitere Aufführungen im Landestheater bis 16. März – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Tobias Witzgall

 

 

 

 

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