Spass statt Diskurs!
SCHAUSPIELHAUS / DAS HAUSGEISTERHAUS
05/12/22 Das Thema ist so kindgerecht märchenhaft wie gesellschaftspolitisch aktuell. Boden- und Immobilien-Spekulation. Drängender Wohnbedarf. Gentrifizierung und diesbezüglich engagierte Ortskaiser-Innen... Dreißgig Jahre jung und noch immer brandneu Das Hausgeisterhaus und seine Belegschaft.
Von Erhard Petzel
Wir, die Gesellschaft, würgen gerade jetzt besonders an den Strukturen des Geschäftssinns der Neunziger Jahre, wenn riesige Chaletdörfer aus den grünen Alpenwiesen sprießen. Nach der Miet-Misere der letzten Jahre gewinnt auch der Gegenaspekt neue Dringlichkeit. So bös ist, bei nicht wenig Bosheit, eine Bürgermeisterin aus heutiger Sicht also gar nicht, wenn sie auf Wohnraum schaut, während sie im Stück die Doppelrolle mit der diebischen Papageien-Dame Dora einnimmt. Premiere des Klassikers von Blaikner/Goehlert war am Sonntag (5.12.) im Schauspielhaus. Geblieben ist die Wehmut angesichts der allgegenwärtigen Verdichtung, der Grün- und Brachflächen zum Opfer fallen, auch wenn die ursprüngliche Bausubstanz nicht weiter schützenswert ist. Denn da greift unser animistisches Wesen, gepackt von der chaotischen Gesellschaft der Hausgeister, die mit moderner Architektur nicht können.
Im Zentrum der Bühne also die schieftürige Rumpelbude von Frau Berger (Anna Malli), während den Bühnenrand optisch sehr ansprechend verzogene, durchaus expressionistische Prospekte moderner Baukultur markieren. Der für den Folgetag angesetzte Vertrag zum Verkauf des Hauses an die Gemeinde bringt Bewegung in die Geisterpartie. Deren queres Wesen erleichtert ein gemeinsames Vorgehen aber nicht. Miss Kielkropf (Jana Rieger) gibt mit ihrer zweitausendjährigen Geschichte an, wird aber von der altschottischen Adelsgeistin Lady Hämmerling (Hannah Schitter) als animistische Gestalt verachtet. Einig sind sie sich gegen den stinkenden Flaschengeist Dschinn (Leah Geber).
Dass Dschinn zu ihrem Leidwesen an eine Gin-Flasche gebunden ist, ist typischer Blaikner-Schmäh, der sich um politische Korrektheit wenig schert. Das macht das Musical besonders aktuell, weil klar wird, dass fallweise fragwürdiger Witz eindeutig besser zieht als ein korrektes, aber langweiliges Stück. So bedarf es des aufschneiderischen Macho-Geists Brownie (Sebastian Goditsch), um die Geister-Rettungs-Aktion anzuwerfen. Die schafft er aber auch nur über seine Dschungel-Tante Voodoo (Annalena Hochgruber), eine Paraderolle ohne Scheu vor klischeehaft kultureller Aneignung. Alles unter dem entspannenden Motto Lasst uns einfach Spaß haben. Dazu gehört auch ein Sprachfehler, wodurch der Gemeindesekretär (Rene Eichinger) gleich einmal etwas belämmert rüberkommt. Dafür erfährt er echte Erfüllung, wenn er von Tante Vodoo durch küssen geheilt wird. Dass er die Geister als erster der Menschen (nach dem Publikum) sehen kann, entspringt dem märchenhaften Glück des Unterentwickelten, weil ihm die verloren gegangenen Zauberblumen auf den Kopf gefallen sind.
Die größten Freaks beider Lager finden also in jeder Hinsicht zusammen. Das finale Glück ist aber so allgemein, dass selbst die Bürgermeisterin darin einstimmt, auch wenn ihr dieser Haus-Deal durch die Lappen gegangen ist.
Das Geschehen entwickelt sich unter der Regie Daniela Meschtscherjakovs in der gebotenen Konsequenz bei allen angesagten Inkonsequenzen. In weiterer Folge wird sich auf der Bühne noch einiges verflüssigen, wie auch die eine oder andere Musiknummer noch an Intonationssicherheit gewinnen wird. Die Musik ist frisch wie eh und je, gemessen am übrigen Musical-Schmalzmarkt eigentlich ein echter Glücksfall. Leider keine Live-Begleitung mehr. Tolle Bühnenwirkung, wenn sich durch Schwarzlicht plötzlich der Dschungel über dem Haus auftut (Ausstattung Isabel Graf, Licht Marcel Busá). Der gerammelt volle Zuschauerraum mit voll aktiviertem Kinderpublikum macht deutlich, dass sich der Stress-Level wie vor dreißig Jahren erhalten hat: Nicht übersehen, dass man zeitgerecht noch an Karten kommt, denn am 24. Jänner hat es sich auch schon wieder ausgespukt!
Das Hausgeisterhauts – Aufführungen bis 24. Jänner im Schauspielhaus – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: SSH / Jan Friese