Kleine Erwartungen
SCHAUSPIELHAUS / EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE
24/11/19 Wenn es eines gibt, das Kinder wirklich lieben, dann sind es Dramatisierungen viktorianischer Novellen, die die Kompatibilität traditioneller Werte mit dem frühindustriellen Kapitalismus untersuchen. Das Schauspielhaus inszeniert deshalb Charles Dickens Novelle A Christmas Carol als Kinderstück.
Von Franz Jäger-Waldau
Charles Dickens Novelle A Christmas Carol hat eine klare Botschaft: Sei an einem Tag im Jahr ein guter Mensch, sonst kommen drei Geister und quälen dich. „Ich weiß gar nicht, was die Leute immer mit diesem Weihnachten haben. Ist doch nur eine Ausrede, um Geld ausgeben zu können.“ Der geizige Geldleiher Ebenezer (ja, ein hebräischer Name) Scrooge hat nicht allzu viel Lust auf Weihnachten oder auch die Menschen, die es praktizieren. „Geschenke hier, Frieden auf Erden da, was ist das denn für eine Einstellung.“ Er mag lieber Geld und seinen verstorbenen „Partner“ Jacob Marley.
Als Ebenezer abends im Bett dessen Porträt sehnsüchtig liebkost, steigt diesmal leider der Verflossene in Fleisch durch den Rahmen. Marleys Geist ist zwar ziemlich fabulous von leichten Ketten zierlich umringt im Glitzerkostüm samt Swingermaske, aber sonst eher nicht in Stimmung: Ebenezer muss sein Leben ändern, sagt er. Drei Geister werden ihn in dieser Nacht noch besuchen und ihm dabei helfen. Die Inszenierung im Schauspielhaus ist übrigens als Kinderstück ausgerichtet.
Olaf Salzer macht als Ebenezer Scrooge sein typisches Ding, den sympathischen Unsympath, was der Figur zweifellos bestens steht. Er lässt an den richtigen Stellen den Menschen in der Maschine durchglitzern, ohne die Rollenhaltung zu brechen. Fast zu gut, Ebenezer wirkt als Dagobert Duck irgendwie aufrichtiger als der schlussendlich vom Liberalismus geläuterte Philanthrop.
Die Vorlage aus dem 19. Jahrhundert hat allerdings schon ähnliche Schwierigkeiten wie die von der Inszenierung übernommene moderne Hausmoral: Etwa das alte Hegelsche Vorurteil, dass Armut und Not uns zu guten Menschen hobeln. Oder dass Ebenezer eigentlich alle Probleme am Ende mit Geld löst; Geld, das er nicht verschenken könnte, wenn er eben nicht reich wäre, was er ist, weil er ein Unmensch ist.
Aber vielleicht ist das auch alles gar nicht so wichtig, vielleicht geht es Kindern einfach darum, unterhalten zu werden, Geschichten zu hören, Schaupiel zu sehen, ohne nihilistische Moralkritik zu praktizieren. Der andauernde und herzliche Applaus des gesamten Publikums könnte das nahelegen. In diesem Fall ist Eine Weihnachtsgeschichte ein voller Erfolg.