Grundsätzlich kein ganz grundloser Abend
KABARETT / MOTZART / RINGELSTETTER
11/02/19 Ringlstetter stellt sein Programm Aufgrund von Gründen über die Idee von der Begründbarkeit unseres Tuns und Handelns auf, was eine breitere Erfassung von Sinnzusammenhängen erlaubt als eine strenge Sicht auf Ursache und Wirkung allein.
Von Erhard Petzel
So kann der Bayer Hannes Ringlstetter genüsslich darüber spekulieren, aus welchen Gründen sein Publikum wohl da vor ihm sitzt, bevor er quasi sich selbst und seine Verfassheit aus dem Narrativ seiner angeblichen biografischen Hintergründe entwickelt. Der entspannte Erzählerton ermöglicht alle möglichen und unmöglichen Schlaufen und Auslassungen. Österreichpremiere war am Freitag (8.2.) beim MotzART Kabarett Festival in der ARGEkultur.
Griffe in die Mottenkiste der Klischees werden nicht gescheut, vom entspannt verbindlichen Wesen des Greifers aber durchaus sympathisch herausgestellt und damit für das Ergriffene nicht schrill kränkend präsentiert. So spielt er mit seinem Publikum die Beziehungskisten zwischen den deutschen Sprachlandschaften durch bis in die binnendifferenzierende Auseinandersetzung mit seiner bayrischen Herkunft. Die Geschichte wird über die kindliche Vorstellung aufgebaut, ein Held zu sein. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem mit der zivildienstlichen Begegnung eines von Altersgeilheit geschlagenen Klienten, endet diese Karriere beim Frauenhelden.
Die auf sich bezogene Erfahrung des geschlechtlichen Scheiterns wird durch launige Beispiele aus der Tierwelt unterfüttert und damit ins universell Allgemeingültige gehoben. Die Position als Vater einer Familie lässt ihn in der Aufmerksamkeitsfolge hinter den Hund rücken, Zerrüttung als Konsequenz einer Beziehung. Im Lied vergleicht er die beiden Partner mit der geladenen Situation zwischen Cowboys in der spannungsknisternden Situation vor einem drohenden Duell. Ringlstetter begleitet sich selbst auf der Gitarre als Liedermacher in eigener Sache und als Parodist. Beides wird er in den beiden Draufgaben zum Schluss bestätigen. Sowohl im Lied A Ruah wie in seinem Trennungslied á la Howard Carpendale interagiert er gekonnt mit seinem begeisterten Publikum.
Am Kind und dem leidigen Erziehungsproblem findet der Rundumschlag gegen gesellschaftliche Narreteien im Privaten statt. Die Familie gegenüber dient als Folie zur Abschreckung und Bestätigung der eigenen – wenn auch absurden – Position. Immerhin setzt man in der eigenen Familie Regeln, die natürlich nicht eingehalten werden.
Dann geht’s biografisch weiter mit eigener Fernsehproduktionsgesellschaft und bayrischer Heimat, die ihn über den allgemeinen Heimat-Disput zu Gabalier führt. Der Konkurrent um die Mobilisierung von Publikum wird gnadenlos bloßgestellt, wenn seine Position für den bühnenwirksamen Zusammenbruch in Tatort-Manier auf dem Boden vormarkiert ist.
Nachdem die deutsche Digitalministerin Dorothee Bär für ihre Initiative zu autonomen Flugtaxis ihr Fett abbekommen hat, räsoniert Ringlstetter im Abschlusslied über die schöne neue Welt, der er die Skepsis eines gestandenen Fünfzigers entgegensetzt. Jedenfalls spricht er offenbar vor allem den Leuten um seine Generation aus der Seele, von denen die ARGE zum Bersten voll besetzt war. Der Kampf gegen die Filterblase selbst als Blase, das aber vergnüglich.